Friedensschlag

Kinostart: 15.04.10
2009
Filmplakat: Friedensschlag

FBW-Pressetext

Um der Gefängnisstrafe zu entgehen, finden Münchner Jugendliche in der sozialen Einrichtung der „Work and Box Company“ einen möglichen Ausweg aus der Kriminalitäts- und Gewaltspirale. Mit ihrem Programm aus Boxtraining, Gemeinschaftstherapie und Vertrauensbildung offerieren die Sozialpädagogen eine Chance auf ein geregeltes Leben und sicheren Ausbildungsplatz. Doch schnell verdeutlicht diese beeindruckend sensible Dokumentation, welche hartnäckigen, psychologischen Widerstände es anzugehen gilt, welche schwierigen Lebensverhältnisse hinter der Gewalt stehen. Filmemacher Gerardo Milsztein fängt mit viel Verständnis die außergewöhnliche Arbeitsweise der Institution und das engagierte, sehr persönliche Ringen um die jungen Straftäter ein. Dabei begleitet die Kamera feinfühlig die Gruppe aus nächster Nähe, dokumentiert heftige Konflikte, kleine Erfolge und Rückschläge ebenso wie den Alltag in der Clique, ohne dabei voyeuristisch zu wirken. Ein lebensnaher und unvergesslicher Einblick in allzuoft mit Vorurteilen behaftete soziale Realitäten. Ein Film, der Verständnis schafft und Mut macht.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Gerardo Milsztein
Kamera:Gerardo Milsztein
Schnitt:Barbara Toennieshen; Thomas Grube
Musik:Pilot
Webseite:friedensschlag.de;
Länge:111 Minuten
Kinostart:15.04.2010
Verleih:Piffl
Produktion: Boomtown Media
FSK:12
Förderer:FFA; BKM; MBB; FFF Bayern

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Resozialisierung jugendlicher Straftäter durch Arbeit und Boxen: Das ist das Konzept der „Work and Box Company", einem 2003 von Rupert Voß und Werner Makella in Taufkirchen bei München gegründeten Projekt der Jugendhilfe. Es bietet ein kombiniertes Angebot von Boxtraining zur Auseinandersetzung mit der Gewaltbereitschaft, Praxiserfahrung durch die Arbeit in einer Partner-Werkstatt und in Praktikumsbetrieben sowie intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Statt im Jugendgefängnis ihre Strafen für eine Häufung von Delikten abzubüßen, können die Teilnehmer hier im Laufe eines Jahres im Rahmen einer ambulanten Jugendhilfemaßnahme ihre Chance zur Reintegration in die Gesellschaft nutzen. Das Projekt arbeitet mit großem Erfolg: 80 Prozent der Teilnehmer werden auf einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung vermittelt und nach drei Jahren sind ebenfalls mehr als 80 Prozent von ihnen straffrei geblieben. Beim traditionellen Strafvollzug liegt die entsprechende Erfolgsquote dagegen nur bei 20 Prozent.

Die „Work and Box Company“ verfolgt ein bemerkenswertes Konzept in einer Zeit, in der, ausgelöst durch spektakuläre Fälle jugendlicher Gewalt, ein härterer Strafvollzug gefordert wird. Es ist ein großes Verdienst des Films, dass er der aufgeregten öffentlichen Debatte die geduldige Langzeitbeobachtung gegenüber stellt. Er erzählt die Geschichte von fünf jungen Männern im Alter von 16 und 20 Jahren. Sie klauen, kiffen, sind unsicher, orientierungslos und haben keine Hemmungen, andere zu verprügeln. Als Söhne gewalttätiger Väter haben sie in ihrer Kindheit selbst Gewalterfahrungen gemacht. Ihre Mütter sind verzweifelt und wissen keinen Rat mehr. Dennoch halten sie zu ihren Söhnen und kommen im Film zu Wort.

Im Projekt treffen die Jugendlichen auf ein anderes Vaterbild. Die Initiatoren der „Work and Box Company“ haben in ihrer Jugend selbst ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihr Verständnis der männlichen Psyche ist die Voraussetzung dafür, den Jungen zu helfen, alte Verhaltungsmuster aufzubrechen und neues Selbstbewusstsein zu erlangen. Dies zeigt der Film in eindrucksvoller Weise. Die Auseinandersetzungen finden zwischen den Jugendlichen und den Betreuern statt. Die Filmemacher selbst halten sich zurück, sind im Bild nicht sichtbar. Es gibt Interviews mit den Jugendlichen, die dabei direkt in die Kamera und dem Zuschauer ins Auge sehen. Aber meist beobachtet der Film den Alltag im Projekt, die Gruppensitzungen und Einzelgespräche, das Boxen, die Ausflüge und die kleinen Fluchten.

Diese Szenen wirken sehr natürlich, die Jugendlichen scheinen die Anwesenheit der Kamera nicht wahrzunehmen und verzichten auch in Einzelsituationen weitgehend auf mediale Selbstinszenierungen. Das spricht für die große Nähe, die die Filmemacher im Laufe der langen Drehzeit zu den Protagonisten entwickeln konnten. Die Zuschauer werden Zeuge, wie Eftal, Josef, Marco, Denis und Juan sich allmählich öffnen, sich in mühsamen kleinen Schritten und einigen Rückschritten langsam verändern. Eindrucksvoll sind die Boxszenen, die deutlich machen, dass die Prinzipien des Sports – ausweichen, kontern, attackieren – auch Lebensprinzipien sind und die Jugendlichen innerlich gegen sich selbst kämpfen. Und wie im Sport müssen sie auch im Projekt und im weiteren Leben Regeln einhalten.

Dabei schafft es der Film, diesen Lebenskampf spannend zu inszenieren. Die Kamera, vom Regisseur selbst geführt, bleibt zunächst auf Distanz, gewinnt aber immer mehr an Nähe und ist zunehmend dicht am Geschehen und an den Protagonisten. So ist der Prozess der allmählichen Annäherung und Veränderung auch für die Zuschauer visuell nachvollziehbar. Der Verlauf der Jahreszeiten, der im Film als Gliederungsprinzip dient, macht die Stadien der Veränderung deutlich. Der Schnitt fügt das vielfältige Geschehen und die Entwicklung der einzelnen Protagonisten zu einem glaubhaften Ganzen. Einzelne Protagonisten treten zeitweilig in den Hintergrund, wenn andere mehr Aufmerksamkeit verlangen. Die Musik ist passend ausgewählt. Sie entspricht dem Selbstbild der Protagonisten und ist auch für jugendliche Zuschauer interessant.

So ist FRIEDENSSCHLAG ein Film, der für die filmische Bildungsarbeit und Schulkino-Einsätze hervorragend geeignet ist und der in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion über den Umgang mit gewalttätigen, straffälligen Jugendlichen überraschende Perspektiven aufzeigt.