Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Hier wird ein Zustand beschrieben. In langen, halbdokumentarischen Einstellungen, die nichts erklären und kaum Empathie aufkommen lassen. Der Protagonist Ibrahim lebt als Flüchtling aus Syrien in Berlin und hat erfahren, dass sein in der Heimat zurückgebliebener Bruder verschwunden ist. Er wartet auf Nachrichten, lässt sich von einem Bekannten aktuelle Videoaufnahmen von in Syrien Verletzten und Getöteten zeigen, fragt einen muslemischen Geistlichen um Rat und nimmt an der Waschung eines Toten teil, weil er damit rechnet, den Leichnam seines Bruders nach Berlin überführen zu müssen. Er hält es für seine Pflicht selber nach Syrien zu fahren, will aber auch seine Familie in Berlin nicht in Stich lassen. Dieses Dilemma macht der Film deutlich, aber er hält dabei immer eine Distanz zum Protagonisten. Wenn Ibrahim es nicht mehr aushält, sich die Videos vom Krieg in Syrien anzusehen und er wortlos aufsteht und verschwindet, ist dies eine Schlüsselszene, in der seine Zerrissenheit deutlich wird. Doch die meisten Situationen werden nicht dramaturgisch zugespitzt, oft wirken die Bilder wie alltägliche Millieu-Studien. Ein Mann raucht im Cafe seine Wasserpfeife und in der langen Schlusssequenz spielt eine Anzahl von Männern gemeinsam ein arabisches Musikstück. Ibrahim hört zu, aber was die Musik in ihm bewirkt und warum er sie sich anhört, wird nicht deutlich. Der Regisseur Khaled Mzher will eine möglichst ungestaltete und deshalb authentisch wirkendende Realität abbilden. Er zeigt eine winzige Facette einer riesigen, realen Tragödie und tut dies bescheiden, ohne etwa eine dramaturgische Auflösung zu bieten. Für die Konsequenz und Stimmigkeit, mit der er dieses Konzept umgesetzt hat, wird seinem Film das Prädikat „wertvoll“ zugesprochen.