Stresemann

Jurybegründung

Der Bewertungsausschuss möchte zunächst seine Anerkennung dafür aussprechen, dass der Film ein bedeutsames politisches Thema anpackt und sowohl die Historie wie die unverkennbare Aktualität des Themas mit energischem Zugriff zu gestalten unternimmt. Zudem hat er das Verdienst, das Porträt einer großen Persönlichkeit zu zeichnen, das trotz einiger idealisierender Züge eindrucksvoll und glaubwürdig gelingt. So ist der Film schon von seinem Stoff her ungewöhnlich und ein Wagnis, das Anerkennung verdient. Der Bewertungsausschuss möchte zum Ausdruck bringen, dass er sich der dramaturgischen, regielichen und auch schauspielerischen Schwierigkeiten, die dieser anspruchsvolle Stoff in sich birgt, durchaus bewusst ist, und dass gerade die Relation zwischen der schwierigen Aufgabe und der vorliegenden Lösung ihn dazu bestimmt hat, dem Film das höchste Prädikat zu erteilen.



Das Buch rafft die Ereignisse mit Geschick und Treffsicherheit zusammen, so dass die Ereignisfolge und das persönlich Schicksal Stresemann in erstaunlicher Dichte dem Zuschauer geboten werden. Hier darf als Einzelleistung der filmischen Gestaltung sogleich der ausgezeichnete und dramaturgisch treffsichere Schnitt erwähnt werden, der entscheidend dazu beiträgt, dass der Film nicht in Episoden zerfällt; gerade die Übergänge fassen trotz großer zeitlicher Sprünge die einzelnen Phasen in einem Gesamtbogen zusammen. Stresemann erscheint als Repräsentant eines politischen Ethos und eines politischen Programms, zugleich aber auch als eine Persönlichkeit, die durch ihre geistige Potenz, ihr charakterliches Format und ihre motorische Energie die Ereignisse vorantreibt und führt. Dem Film gelingt aber nicht nur ein eindrucksstarkes Porträt der Persönlichkeit Stresemanns, sondern er überzeugt auch mit einer seiner Grundthesen: Dass die Kraft und das Ethos einer Person, die persönliche Begegnung und das Gespräch und schließlich die Bereitschaft zu gegenseitigem Verstehen entscheidende politische Faktoren sein können; er demonstriert ein eindrucksvolles und glaubwürdiges Beispiel. Überdies führt er den Zuschauer an den entscheidenden Beginn der heute noch aktuellen Bemühung um eine deutsch-französische Verständigung und um ein Zusammengehen der europäischen Nationen. Der Bewertungsausschuss bedauert, dass die politischen Schwierigkeiten und die Opposition gegen diese Bestrebungen nur am Rande skizziert werden; zwar stehen sowohl Stresemann wie Briand oft vor nahezu unüberwindlichen Hindernissen, doch wird aus dem Film heraus nicht deutlich genug, worin sie eigentlich bestanden haben. Ferner wäre es von Vorteil gewesen, wenn die Begegnung der Staatsmänner und die großen repräsentativen Treffen durch eine deutlichere Skizzierung der politischen Realitäten und der einzelnen Verhandlungsgegenstände aufgefüllt und dadurch konkretisiert worden wären.



Die Regie versteht es, der strengen stofflichen Begrenzung und dem dramaturgischen Aufbauprinzip gemäß die einzelnen Szenen prägnant aufzubauen und ineinander überzuleiten. Insbesondere möchte der Bewertungsausschuss hervorheben, dass die Rekonstruktion der Szenen im Reichstag als ein bedeutsamer Beitrag zu einem politischen Porträt der Weimarer Zeit zu werten ist. Hier sei auch die Kamera erwähnt, die durch ihren nüchternen, manchmal geradezu kalten Bildstil hervorragend auf den Stoff eingeht und dem Spielfilm vom Bild her den Charakter des Dokumentarischen verleiht.



Besondere Anerkennung möchte der Bewertungsausschuss der schauspielerischen Leistung von Ernst Schröder zollen. Seiner klugen und intensiven darstellerischen Kunst ist es zu verdanken, dass bei einer starken physiognomischen Unähnlichkeit doch die volle geistige Agilität und Energie Stresemanns vergegenwärtigt wird. Nicht die Maske, sondern die Schauspielkunst erzeugt die Transparenz, durch welche die historische Person zu Leben erweckt wird. Der Bewertungsausschuss sieht es als einen Vorzug an, dass bei Stresemann wie auch bei Briand (Poicaré) der Hauptwert nicht auf die naturalistische Maske gelegt wurde, sondern die innere Physiognomie und die Charakteristik der Persönlichkeitsstruktur im Vordergrund stand. Als hervorragenden Gegenspieler und Gegenpol Schröders stellt Leonard Steckel die Figur Briands dar. Schon diese beiden schauspielerischen Repräsentanten verleihen dem Film eine innere Polarität und damit auch eine über den ganzen Film hinreichende eigentümliche Dramatik. Der Bewertungsausschuss legt einzelnen Mängeln, die der Film aufweist, angesichts der Bedeutsamkeit des Stoffes und der Profilierung der Hauptgestalten und der wichtigsten Geschehniszüge kein entscheidendes Gewicht bei. Zu den übrigen Gestaltungsmitteln wie den Bauten und der musikalischen Gestaltung soll nur angemerkt werden, dass sie der Gesamtanlage des Films durchaus entsprechen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Länge:105 Minuten
Produktion: , Berliner Meteor-Film GmbH, Berlin

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuss möchte zunächst seine Anerkennung dafür aussprechen, dass der Film ein bedeutsames politisches Thema anpackt und sowohl die Historie wie die unverkennbare Aktualität des Themas mit energischem Zugriff zu gestalten unternimmt. Zudem hat er das Verdienst, das Porträt einer großen Persönlichkeit zu zeichnen, das trotz einiger idealisierender Züge eindrucksvoll und glaubwürdig gelingt. So ist der Film schon von seinem Stoff her ungewöhnlich und ein Wagnis, das Anerkennung verdient. Der Bewertungsausschuss möchte zum Ausdruck bringen, dass er sich der dramaturgischen, regielichen und auch schauspielerischen Schwierigkeiten, die dieser anspruchsvolle Stoff in sich birgt, durchaus bewusst ist, und dass gerade die Relation zwischen der schwierigen Aufgabe und der vorliegenden Lösung ihn dazu bestimmt hat, dem Film das höchste Prädikat zu erteilen.

Das Buch rafft die Ereignisse mit Geschick und Treffsicherheit zusammen, so dass die Ereignisfolge und das persönlich Schicksal Stresemann in erstaunlicher Dichte dem Zuschauer geboten werden. Hier darf als Einzelleistung der filmischen Gestaltung sogleich der ausgezeichnete und dramaturgisch treffsichere Schnitt erwähnt werden, der entscheidend dazu beiträgt, dass der Film nicht in Episoden zerfällt; gerade die Übergänge fassen trotz großer zeitlicher Sprünge die einzelnen Phasen in einem Gesamtbogen zusammen. Stresemann erscheint als Repräsentant eines politischen Ethos und eines politischen Programms, zugleich aber auch als eine Persönlichkeit, die durch ihre geistige Potenz, ihr charakterliches Format und ihre motorische Energie die Ereignisse vorantreibt und führt. Dem Film gelingt aber nicht nur ein eindrucksstarkes Porträt der Persönlichkeit Stresemanns, sondern er überzeugt auch mit einer seiner Grundthesen: Dass die Kraft und das Ethos einer Person, die persönliche Begegnung und das Gespräch und schließlich die Bereitschaft zu gegenseitigem Verstehen entscheidende politische Faktoren sein können; er demonstriert ein eindrucksvolles und glaubwürdiges Beispiel. Überdies führt er den Zuschauer an den entscheidenden Beginn der heute noch aktuellen Bemühung um eine deutsch-französische Verständigung und um ein Zusammengehen der europäischen Nationen. Der Bewertungsausschuss bedauert, dass die politischen Schwierigkeiten und die Opposition gegen diese Bestrebungen nur am Rande skizziert werden; zwar stehen sowohl Stresemann wie Briand oft vor nahezu unüberwindlichen Hindernissen, doch wird aus dem Film heraus nicht deutlich genug, worin sie eigentlich bestanden haben. Ferner wäre es von Vorteil gewesen, wenn die Begegnung der Staatsmänner und die großen repräsentativen Treffen durch eine deutlichere Skizzierung der politischen Realitäten und der einzelnen Verhandlungsgegenstände aufgefüllt und dadurch konkretisiert worden wären.

Die Regie versteht es, der strengen stofflichen Begrenzung und dem dramaturgischen Aufbauprinzip gemäß die einzelnen Szenen prägnant aufzubauen und ineinander überzuleiten. Insbesondere möchte der Bewertungsausschuss hervorheben, dass die Rekonstruktion der Szenen im Reichstag als ein bedeutsamer Beitrag zu einem politischen Porträt der Weimarer Zeit zu werten ist. Hier sei auch die Kamera erwähnt, die durch ihren nüchternen, manchmal geradezu kalten Bildstil hervorragend auf den Stoff eingeht und dem Spielfilm vom Bild her den Charakter des Dokumentarischen verleiht.

Besondere Anerkennung möchte der Bewertungsausschuss der schauspielerischen Leistung von Ernst Schröder zollen. Seiner klugen und intensiven darstellerischen Kunst ist es zu verdanken, dass bei einer starken physiognomischen Unähnlichkeit doch die volle geistige Agilität und Energie Stresemanns vergegenwärtigt wird. Nicht die Maske, sondern die Schauspielkunst erzeugt die Transparenz, durch welche die historische Person zu Leben erweckt wird. Der Bewertungsausschuss sieht es als einen Vorzug an, dass bei Stresemann wie auch bei Briand (Poicaré) der Hauptwert nicht auf die naturalistische Maske gelegt wurde, sondern die innere Physiognomie und die Charakteristik der Persönlichkeitsstruktur im Vordergrund stand. Als hervorragenden Gegenspieler und Gegenpol Schröders stellt Leonard Steckel die Figur Briands dar. Schon diese beiden schauspielerischen Repräsentanten verleihen dem Film eine innere Polarität und damit auch eine über den ganzen Film hinreichende eigentümliche Dramatik. Der Bewertungsausschuss legt einzelnen Mängeln, die der Film aufweist, angesichts der Bedeutsamkeit des Stoffes und der Profilierung der Hauptgestalten und der wichtigsten Geschehniszüge kein entscheidendes Gewicht bei. Zu den übrigen Gestaltungsmitteln wie den Bauten und der musikalischen Gestaltung soll nur angemerkt werden, dass sie der Gesamtanlage des Films durchaus entsprechen.