Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Christoph Wermke gelingt es hier beeindruckend intensiv, eine sommerliche Ferienstimmung in der Brandenburger Provinz einzufangen. Der 8jährige Tobi streift durch die Felder, hilft einem Nachbarn bei den Arbeiten als Imker und langweilt sich ansonsten doch ein wenig. Seine Freunde sind in Urlaub gefahren und die Mutter hat das Haus an eine junge Familie aus Berlin vermietet, sodass er für ein paar Wochen in seinem Indianerzelt und sie in einem alten Wohnwagen hausen. Der Film macht nuanciert und detailreich deutlich, wie sich der kleine Protagonist durch diese Situation gekränkt fühlt. In seinem Kinderzimmer schläft die junge Mutter aus Berlin und zwischen seinen Sachen findet er einen von ihren BHs. Durch kleine Gesten und Blicke wird klar, dass Tobis Mutter und der Feriengast einander anziehend finden, während seine Frau sich sichtlich unwohl fühlt. Bei einem Einkauf im Dorf wird sie von der Verkäuferin dann auch in der Tat mit einer aggressiven Ruppigkeit behandelt. Es wird deutlich, dass hier Spannungen zwischen westdeutschen Städtern und den Brandenburger Dorfbewohner herrschen, aber auch dieser Subtext wird nie überdeutlich ausgestellt, sondern eher beiläufig angedeutet. Im Drehbuch, das auf einer Erzählung von Ralf Rothmann beruht, wird geschickt mit kleinen Requisiten wie den Indianerfedern an Tobis Mütze oder der Dose mit Angelleinen gearbeitet, die der Junge zuerst von dem Nachbarn zugesteckt bekommt und dann auf dem Stuhl beim Wohnwagen seiner Mutter vergisst. Als er zurückkommt, um sie zu holen, erfährt er etwas, das er als Waffe gegen die ungeliebten Eindringlinge nutzen kann, und so lockt er die junge Mutter in eine hinterhältige kleine Falle. Wermke zeigt auch hier, dass er ein ökonomischer und sensibler Erzähler ist, der es nicht nötig hat, ein melodramatisches Finale zu inszenieren, sondern den Film statt dessen mit dem triumphierenden Indianerschrei von Tobi enden lässt. STOLZ DES OSTENS ist ein in sich stimmiger und atmosphärisch reicher Kurzspielfilm, der so poetisch schillert wie sein Titel.