Filmplakat: Roadtrip

FBW-Pressetext

Er kann nicht schlafen. Nacht für Nacht liegt er wach und denkt nach. Über den Sinn des Lebens, die nächste Zigarette, die Philosophie hinter mathematischen Textaufgaben. Doch er kommt einfach nicht zur Ruhe. Sein Nachbar sagt, er müsse raus aus Berlin. Mit dem Motorrad. Und das hübsche Barmädchen in der Kneipe sagt, er mache sich zu viele Gedanken. Also schraubt er, poliert er, packt er, bereitet sich auf die Reise vor. Doch irgendwie kommt immer etwas dazwischen. Und Gedanken macht er sich weiterhin. Immer noch über den Sinn des Lebens. Immer mehr über das hübsche Barmädchen in der Eckkneipe. Und immer mal wieder darüber, was er überhaupt vom Leben erwartet. Außer Schlaf. Der 20-minütige Animationsfilm von Xaver Xylophon und Ariana Berndl, der als Abschlussarbeit an der Berliner Kunsthochschule „Weißensee“ entstand, entwirft nicht nur das Porträt eines Protagonisten, sondern auch das Lebensbild einer jungen Generation, die geprägt ist von Orientierungs- und Antriebslosigkeit, sowie das Milieubild einer Stadt. Alle Szenen spielen in und um Berlin, zeigen die Dächer der Stadt, Kneipen, Straßen, Brücken. Die Dialoge sind knapp gehalten, mit herrlich komischen trockenen Dialogen. Die Animation, die von Hand gezeichnete Bilder mit digitaler Bearbeitung mischt, ist einfach gehalten, aber dennoch mit Liebe zum szenischen und ausstatterischen Detail. Ein lakonisch unkitschiges und doch romantisches Großstadtmärchen. Und eine wundervolle Liebeserklärung an Berlin.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Xaver Xylophon
Drehbuch:Ariana Berndl; Xaver Xylophon
Schnitt:Xaver Xylophon; Julian Cohn
Musik:Xaver Xylophon
Länge:22 Minuten
Verleih:Aug&Ohr Medien
Produktion: Weißensee Kunsthochschule Berlin

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Roadmovies erzählen meist von einem Selbsterfahrungstrip, einer Reise der Protagonisten zu ihren Gefühlen und sich selbst. An diese Erwartungen knüpft Xavier Xylophon mit seinem klassischen, handgemalten Animationsfilm zunächst an. Um dann gekonnt mit diesen Erwartungen zu spielen und sie letztlich zu brechen.
Seinen Protagonisten Julius verpflanzt er in die hippe Szene-Stadt Berlin, die New York den Ruf als Stadt, die niemals schläft, streitig macht. Julius, Anfang 20, hat Schlafprobleme. Er weiß nicht so recht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er findet keine Ruhe, jede Nacht wälzt er sich im Bett. Um die Insomnie zu überwinden und den unruhigen Geist zu besiegen, will er seinem Gehirn neue Reize mit einer Reise verschaffen. Er möbelt sein altes Motorrad auf, doch seine Abreise scheitert mehrmals an äußeren Einflüssen. Als Julius dann endlich „on the road“ ist, holt ihn der Regen ein. Der Schlaf überwältigt ihn in einem Wartehäuschen einer Bushaltestelle am Straßenrand. Als er das Scheitern akzeptiert und sich nicht mehr von den Erwartungen seiner Umgebung unter Druck setzen lässt, findet Julius zu einem normalen Lebensrhythmus zurück.
Die runde Fabel um das Scheitern, um Entfremdung und deren Auswirkungen auf die Psyche wurde mit einem adäquaten künstlerischen Konzept umgesetzt. Der langsame, beschauliche Rhythmus unterstreicht Julius Lebensgefühl, die detailreich komponierten Bilder beschwören die Tristesse der Großstadt und die lakonischen Dialoge bewahren vor falschem Pathos.
ROADTRIP ist auch ein moderner Heimatfilm und eine Liebeserklärung an die deutsche Hauptstadt und ihre Bewohner. Nicht nur Einheimische werden die Ecken wieder erkennen, an denen sich Julius rumtreibt, und die für den Film behutsam verfremdet werden. Und natürlich dürfen die Menschen und gestrandeten Existenzen nicht fehlen, die diese Stadt ausmachen. Der Alt-68er Hippie, der langsam auf die Rente zugeht. Die überschminkte Hartz-IV-Empfängerin mit den großen Träumen. Und natürlich die Bardame, die Julians philosophische Diskurse kontert.