Quills - Macht der Besessenheit

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

"Die Freiheit auf dem Grund eines Tintenfasses finden", das will der Marquis de Sade. Er ist ein radikaler Vertreter der Freiheit, ein Aufklärer längst nicht nur im sexuellen, im sexuell-perversen und im sexuell-desktruktiven Sinn. An ihm rieb sich seine Umwelt und reibt sich die Nachwelt bis heute. Phil Kaufman versteht es, diese Konflikte produktiv zu nutzen. Sein - künstlerisch eher konventioneller - Film spitzt den Kampf verschiedener ethischer, politischer und wissenschaftlicher Ideen personell zu. Der priesterliche Leiter der Irrenanstalt von Charenton, wo de Sade die letzten 13 Jahre seines Lebens verbrachte, steht mit seiner wahrhaft christlichen Nächstenliebe und seinen zölibatären Versagungen im direkten Gegensatz zum "strafenden" und bigotten Doktor Royer-Collard, der die neue und machtopportunistische Position verkörpert.

Drehbuch und Regie machen die Wirkung der de Sade’schen Literatur direkt erfahrbar, nicht bei wollüstigen Greisen und Kleiderschrank-Fetischisten, sondern bei zwei jungen Frauen mit ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Position. Gezeigt wird, daß de Sade den Geist der Aufklärung atmet. Auch seine (weitgehend authentisch) dargestellte Lebensgeschichte illustriert bis hin zur buchstäblichen Be-Schreibung seines Körpers einen unbändigen Freiheits- und Ausdruckswillen. Er ist ein unzähmbarer Geist. Geoffrey Rush als de Sade wird umso präsenter, je mehr Kleidungsstücke ihm die Gefängnisleitung raubt. Auch die Leistung der anderen Darsteller ist bemerkenswert. Besonders glänzen Joaquin Phoenix als Abbé und Kate Winslet als die Wäscherin Madeleine.