FBW-Pressetext

Erratische menschenleere Innenaufnahmen. Standbilder, die sich erst allmählich als filmische Loops entpuppen. Gezeigt werden Clips aus Hollywoodproduktionen wie War Games oder Real Genius. Alles Fragmente, die ein sehr spezifisches Bild einer technologischen Einsamkeit transportieren. Marian Maylands MICHAEL IRONSIDE AND I oszilliert zwischen Experimental- und Essayfilm. Entstanden ist dabei eine spannende metafilmische Reflexion von großer Qualität, bei der Irritationen evoziert und filmische Impressionen durch Kommentare ergänzt werden. Mit einem radikalen künstlerischen Konzept mit mentalen Imaginationsräumen, die von Isolation und Einsamkeit durchtränkt sind, bringt Mayland eine ganze Generationenerfahrung auf abstrakte Weise zum Ausdruck. Ein beeindruckendes filmisches Experiment.
Prädikat besonders wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der experimentell arbeitende Filmemacher Marian Mayland beginnt seinen essayistischen Kurzfilm MICHAEL IRONSIDE AND I mit rätselhaften Innenaufnahmen, die zunächst wie Standbilder erscheinen, doch bald als filmische Loops erkennbar werden. In einer Mischung aus Found Footage, Essay- und Experimentalfilm variiert er hier – unterlegt von einer kontemplativen englischen Off-Stimme – Clips aus Hollywoodproduktionen, die ein spezifisches Bild wissenschaftlicher Einsamkeit produzieren.
Es beginnt in einer Vorortwohnung, von der aus sich ein Jugendlicher (Matthew Broderick) mit seinem Computer Zugang zu einem Atomraketensilo des Pentagon verschafft. Der Film heißt WARGAMES (1983) und war eine der ersten filmischen Darstellungen des Internets. Von diesen Elementen ausgehend verweist Mayland auf die Hauptdarstellerin Ally Sheedy, die später eine wichtige Rolle im #metoo-Phänomen spielte, sowie Matthew Broderick, der nach einem von ihm verschuldeten tödlichen Unfall zu einem Internet-Meme wurde. Anhand der stets menschenleeren Räume aus dieser und weiteren Produktionen unternimmt Mayland eine metafilmische Reflexion über die seismografische Qualität des Kinos. Dies wird auch in Martha Coolidges REAL GENIUS (1985) und der Serie SEAQUEST (1995-1996) deutlich, die als weitere Quellen dienen. Unter anderem zeigt der Kurzfilm, wie populäre Fiktionen unsere Vorstellung von Technik und Wissenschaft prägen.
In SEAQUEST kommt auch der Schauspieler Michael Ironside vor, der als Lehrer in STARSHIP TROOPERS von Paul Verhoeven zur Ikone wurde. Fakten aus der Filmwelt, filmische Impressionen und persönliche Ansätze des Kommentars entwickeln in Maylands Film zusehends eine eigenständige Utopie, eine medial konstruierte Parallelwelt, die in Melancholie und Ratlosigkeit mündet. Es bleibt eine Irritation am Ende mit dem Verweis auf den Suizid eines Darstellers, der im Abspann durch ein Porträt gewürdigt wird.
MICHAEL IRONSIDE AND I ist ein sehr persönliches Kunstwerk, das mentale Imaginationsräume als Räume der Isolation und Einsamkeit kennzeichnet und eine Generationenerfahrung zum Ausdruck bringt, die in medialen Fiktionen eher zuhause ist als in der gesellschaftlichen Realität. Die Jury würdigt das stimmige und radikale künstlerische Konzept mit dem Prädikat besonders wertvoll.