Menschenkind

1998

Kurzbeschreibung

1885, zwanzig Jahre nach dem Ende des amerikanischen
Bürgerkrieges, wird eine ehemalige Sklavin von der
afroamerikanischen Gemeinde geschnitten, da in ihrem Haus
seltsame Dinge vorgehen und sie sich von den traumatischen
Erlebnissen nur mühsam befreien kann.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Jonathan Demme
Länge:172 Minuten
Verleih:Buena Vista Filmverleih
Produktion: Touchstone Pictures, Touchstone Pictures;
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Nach einer literarischen Vorlage von Toni Morrison entfaltet
dieses Filmepos nicht nur ein Zeitbild der amerikanischen
Geschichte (Sklavenbefreiung in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts), das bislang wenig Beachtung fand. Der historische
Bezug bildet nur den Hintergrund für eine Entdeckungsreise in das
Innere der von Schuldgefühlen zerstörten Seele der ehemaligen
Sklavin Sethe, eindrucksvoll verkörpert von Oprah Winfrey.
Kunstvoll werden in Rückblenden die Ursachen und Auslöser der
Verletzungen mit der Konfrontation und der schrittweisen
Befreiung verwoben. Die Innenwelten der Sethe manifestieren sich
in ihrem Wohnhaus, dessen dezidierte Ausstattung ihren inneren
Zustand widerspiegelt. Deutlich wird auch, wie stark ihre
verängstigte Tochter mitgefangen bleibt, so lange sie selbst ihre
Situation zwar wahrnimmt, aber noch nicht ändern kann. In Sethes
Haus herrscht ein Spuk- und Ungeist, an den sie sich längst
gewöhnt hat. Mit filmischen Spezialeffekten und Anklängen an den
Horrorfilm bebt das Haus sicht- und hörbar, die Dielen knarren
und heben sich, Gegenstände fliegen durch die Gegend - aber Sethe
hält das für normal.

Ein alter Leidensgefährte, der sympathische Paul (Danny Glover)
setzt dem ein Ende und wird ihr Mann. Doch als Sethe durch diese
Liebe aus ihrer Erstarrung erwacht, kommt die Tochter, die sie
selbst tötete, in einer allegorischen Sequenz zu ihr. Sethe
umsorgt sie, ohne sie zu erkennen. Erst als dieses merkwürdig
behinderte wunderschöne Wesen (hervorragend Thandie Newton) den
Mann, der die Erinnerung provoziert hat, aus dem Haus treibt,
feiert Sethe das mystische Fest der Befreiung und des
Wiederfindens und umhegt fortan nur noch dieses verloren
geglaubte Kind. Mit ihrem intensiven und verinnerlichten Spiel
gibt Thandie Newton der vernachlässigten Tochter mitfühlende
Gestalt, die auch in ihrer Wandlung zur selbstbewußten und
befreiten jungen Frau überzeugend wirkt. Die Konstruktion der
äußeren Handlung - Cincinnati in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts, Sethe ist ausgeschlossen aus der kommunalen
Gemeinschaft, Menschen ziehen an ihrem Haus vorbei - und das
Geschehen im Inneren des Hauses laden einander spannungsvoll auf
und erzeugen über fast drei Stunden eine Sogkraft, der man sich
nur schwer entziehen kann.

Anklänge an eine fremde Mystik erzeugen Irritation und Neugier.
Außerordentlich suggestiv führt die Kamera den Betrachter ganz
nah an das Geschehen und an die Gesichter heran. Dezent
kommentiert und überhöht die Musik das Einzelschicksal.

Angelika Finger
Paul Detlev Bartsch Renate Epperlein
Joachim Giera Martina Schellhorn