Lourdes

Kinostart: 01.04.10
VÖ-Datum: 07.10.10
2009
Filmplakat: Lourdes

FBW-Pressetext

Wo Krankheit, Einsamkeit, Neid und Hoffnung nah beieinander liegen, findet sich eine ideale Bühne für ein Glanzstück des aktuellen, europäischen Kinos. LOURDES gibt einen präzise inszenierten Einblick in den Wallfahrtstourismus des Pilgerzentrums. Geschickt wird das erdachte Schicksal um die gelähmte Christine und ihre Reisegruppe unter Leitung der Malteser Hilfsorganisation mit den Originalschauplätzen und Gegebenheiten verwoben. So pendelt dieses Gesellschaftsbild zwischen ironischer und sehr genauer Betrachtung vom Geschäft mit der Hoffnung und dem leisen Glauben an ein wahres Wunder, das Christine scheinbar widerfährt. Grandiose Bildkompositionen und eine ausgefeilte Farbdramaturgie erzeugen eindrückliche visuelle Momente. Große Kunst ist auch das feine Schauspiel der Darsteller, sensationell besetzt bis in die Nebenrollen. Ein absolut sehenswerter Film, dessen Mut und Leistung hiermit nachdrücklich hervorgehoben seien!

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Jessica Hausner
Darsteller:Sylvie Testud; Léa Seydoux; Gilette Barbier; Bruno Todeschini
Drehbuch:Jessica Hausner
Kamera:Martin Gschlacht
Schnitt:Karina Ressler
Weblinks:;
Länge:99 Minuten
Kinostart:01.04.2010
VÖ-Datum:07.10.2010
Verleih:NFP
Produktion: Coop99 Film, Société Parisienne de Production; Essential Filmproduktion; Thermidor Filmproduktion;
FSK:0
Förderer:MBB; Filmstiftung NRW; Eurimages
DVD EAN-Nummer:4009750208182
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Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Zum einen wird in diesem Film mit einem fast dokumentarischen Blick ein Pilgeraufenthalt in Lourdes gezeigt. Man sieht wie die Pilger essen, schlafen, am touristischen Programm teilnehmen, von den Helfern des Malteserordens bevormundet werden und die Gottesdienste, Waschungen und anderen religiösen Rituale mitmachen, von denen sie sich das Wunder einer Heilung versprechen. Dass diese Heilung nicht nur geistig sein soll, erkennt man schon daran, dass die Meisten mit einem körperlichen Gebrechen zur Pilgerstätte ziehen und die vermeintlich von ihren Gebrechen Befreiten dann vor einer Kommission antreten sollen, damit ihre Heilung auch "offiziell" wird. Alleine schon für diesen klugen, kritischen und durchaus auch ironischen Blick ist der Film sehenswert. Er zeigt, dass Lourdes ein Geschäft ist, wie die dort Beschäftigten damit umgehen und dass viele von ihnen mit der Zeit ein, wenn nicht zynisches, so doch recht abgeklärtes Verhältnis zu diesem religiösen Phänomen entwickelt haben.

Aber der Film sieht Lourdes auch mit den Augen einer jungen Gelähmten, und nicht nur weil diese Christine von Sylvie Testud so authentisch und intensiv verkörpert wird, wird er dadurch zu einem bewegenden Drama. Auch wenn sie sich nach außen hin skeptisch gibt und erklärt, Rom habe kulturell viel mehr zu bieten, erkennt man doch ihre Hoffnung auf eine Heilung gegen alle Vernunft. Sie schließt Freundschaft mit ihrer Zimmernachbarin, flirtet ein wenig mit einem der uniformierten Helfer und macht damit sogar jene junge Schwester eifersüchtig, die sich um sie kümmern soll. Die bis zum Kopf vollständig gelähmte Frau scheint innerlich zu glühen, und um diesen Zustand deutlich zu machen, findet die Regisseurin Jessica Hausner Bilder, die mit einer großen Virtuosität komponiert sind, aber nie zum Selbstzweck werden. So etwa jene Einstellung, in der die Säulen eines Gotteshauses so übermächtig scheinen, dass nur Fragmente von Christine sichtbar werden - und dies direkt nach ihrer vermeintliche Heilung, also in einem Moment, von dem man erwartet, dass in ihm ihre neu geschenkte Freiheit gefeiert wird.

Grandios ist auch die Schlusssequenz, bei der so vieles in einer Nahaufnahme deutlich wird, nachdem das ausgelassene Feiern der Gesunden wie ein höhnischer Tanz um das goldene Kalb inszeniert wurde. LOURDES ist ein auf allen Ebenen meisterhaft, ja wundersam erzähltes Werk - ein wenig kann auch die Filmkunst heilen.