Kirmes

Jurybegründung

Der Hauptausschuss hat über den Film "Kirmes" lang und intensiv diskutiert. Die vorliegenden Erläuterungen des Regisseurs Wolfgang Staudte zu diesem Film haben zur Klärung wesentlich beigetragen. Der Film ist in der Tat nicht als Anklage, sondern als die Demonstration eines Exempels zum Thema von den Grenzen der moralischen Kräfte des Menschen im Krieg, im Terror, in der Ausnahmesituation anzusehen. Allerdings hat Staudte in der Rahmenszene gewisse Details angebracht, die als tendenziöse Absicht missverstanden werden können. Doch wird das Wesentliche hiervon nicht berührt.

Der Deserteur und die Desertion, ein Thema, zu dem Mut gehört, weil es ein Tabu verletzt, werden im Buch und Dialog erschütternd menschlich motiviert und durch den jungen Götz George und alle, die mit ihm in Gewissensnot geraten, so wahrhaftig, unpathetisch und differenziert dargestellt, dass der Filmbesucher sich zur Konfrontation mit dem Thema gestellt sieht, mag er wollen oder nicht. Dem französischen Mädchen hat die Regie etwas zu viel erotisches Kino zugemutet, doch ist die Schauspielerin vom Typ her vorzüglich. Die Abstufung der Charaktere in den verschiedenen Situationen der Angst, des Terrors, der Illusion, der Hoffnung, des Mutes und Versagens ergibt ein Exempel dessen, was in den schrecklichen Tagen möglich war. Der Pfarrer ist so wenig eindeutig wie der Vater des desertierten Soldaten. Die Mutter ist tapferer, aber auch das ist relativ; sie kann entschiedener sein, weil ihr Mann die Last scheinbarer Gefügigkeit trägt. Der Ortsgruppenleiter, von Reichmann mimisch vorzüglich dargestellt, ist einer aufgeblasene Figur, lächerlich und fürchterlich, aber nicht ein Bilderbuchteufel, sondern die treffende Studie eines Schwächlings.

Der Hauptausschuss hat auch die Frage, ob die Identität des Ortsgruppenleiters von damals mit dem Bürgermeister von heute tendenziös missverstanden werden könne, diskutiert. Er verneint diese Frage. Die mögliche Personidentität auf einem kleineren Posten kann nicht so verstanden werden, als sollte der Terror des dritten Reiches mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik parallelisiert oder gar gleichgesetzt werden.

Darstellung, Regie und Kamera des Films sind temperamentvoll und dramatisch akzentuierend. Viele Bildeinstellungen kommen über einen vordergründigen Realismus zu symbolhafter Verdichtung.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Regie:Wolfgang Staudte
Darsteller:Götz George; Juliette Mayniel; Hans Mahnke; u.a.
Länge:102 Minuten
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Hauptausschuss hat über den Film "Kirmes" lang und intensiv diskutiert. Die vorliegenden Erläuterungen des Regisseurs Wolfgang Staudte zu diesem Film haben zur Klärung wesentlich beigetragen. Der Film ist in der Tat nicht als Anklage, sondern als die Demonstration eines Exempels zum Thema von den Grenzen der moralischen Kräfte des Menschen im Krieg, im Terror, in der Ausnahmesituation anzusehen. Allerdings hat Staudte in der Rahmenszene gewisse Details angebracht, die als tendenziöse Absicht missverstanden werden können. Doch wird das Wesentliche hiervon nicht berührt.
Der Deserteur und die Desertion, ein Thema, zu dem Mut gehört, weil es ein Tabu verletzt, werden im Buch und Dialog erschütternd menschlich motiviert und durch den jungen Götz George und alle, die mit ihm in Gewissensnot geraten, so wahrhaftig, unpathetisch und differenziert dargestellt, dass der Filmbesucher sich zur Konfrontation mit dem Thema gestellt sieht, mag er wollen oder nicht. Dem französischen Mädchen hat die Regie etwas zu viel erotisches Kino zugemutet, doch ist die Schauspielerin vom Typ her vorzüglich. Die Abstufung der Charaktere in den verschiedenen Situationen der Angst, des Terrors, der Illusion, der Hoffnung, des Mutes und Versagens ergibt ein Exempel dessen, was in den schrecklichen Tagen möglich war. Der Pfarrer ist so wenig eindeutig wie der Vater des desertierten Soldaten. Die Mutter ist tapferer, aber auch das ist relativ; sie kann entschiedener sein, weil ihr Mann die Last scheinbarer Gefügigkeit trägt. Der Ortsgruppenleiter, von Reichmann mimisch vorzüglich dargestellt, ist einer aufgeblasene Figur, lächerlich und fürchterlich, aber nicht ein Bilderbuchteufel, sondern die treffende Studie eines Schwächlings.
Der Hauptausschuss hat auch die Frage, ob die Identität des Ortsgruppenleiters von damals mit dem Bürgermeister von heute tendenziös missverstanden werden könne, diskutiert. Er verneint diese Frage. Die mögliche Personidentität auf einem kleineren Posten kann nicht so verstanden werden, als sollte der Terror des dritten Reiches mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik parallelisiert oder gar gleichgesetzt werden.
Darstellung, Regie und Kamera des Films sind temperamentvoll und dramatisch akzentuierend. Viele Bildeinstellungen kommen über einen vordergründigen Realismus zu symbolhafter Verdichtung.