Immer müder
FBW-Pressetext
Wieso nur bin ich immer so müde? Diese Frage stellt sich Jochen Kuhn in seinem neuesten Film besorgt. Sein Arzt jedenfalls behauptet, er sei kerngesund. Aber warum schläft er dann überall und zu jeder Zeit ein. In Besprechungen, Meetings, Vorträgen, immer, wenn das Leben um ihn herum zu toben scheint. Vielleicht aber, so überlegt er, ist das gar nicht so schlimm. Denn schließlich geht es den anderen doch genauso. Melancholisch ironisch erzählt Jochen Kuhn in IMMER MÜDER von dem gnadenlosen Leistungsprinzip unserer Zeit, die immer pusht, fordert, die Synapsen reizt. Gleichzeitig jedoch belächelt er auch genau jenes System durch seinen liebevoll resignierenden Blick auf das Problem. Die animierten Bilder stehen in bester Tradition des Künstlers Kuhn: Gemalte Ideen, die verwischt und überblendet werden und aus denen wieder Neues entsteht. Dies hat etwas Surreales, etwas Träumerisches und gleichzeitig einen guten stimmigen Rhythmus. Mit IMMER MÜDER ist Jochen Kuhn ein weiteres Kurzfilmmeisterwerk gelungen. Unermüdlich gut.Filminfos
Gattung: | Animationsfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Jochen Kuhn |
Drehbuch: | Jochen Kuhn |
Kamera: | Jochen Kuhn |
Schnitt: | Olaf Meltzer |
Musik: | Jochen Kuhn |
Länge: | 6 Minuten |
Produktion: | Jochen Kuhn |
FSK: | 0 |
Förderer: | BKM |
Jury-Begründung
Die Einen können des Nachts einfach nicht einschlafen, die Anderen könnten dagegen immer zu nur noch schlafen. Der moderne Alltag hinterlässt seine Spuren, auch beim Schlaf. Mit Humor und Sinn fürs Eigentliche geht IMMER MÜDER einem gesellschaftlichen Problem auf den Grund. Das Phänomen der Müdigkeit ist allgemein bekannt und medial vielfältig bearbeitet. Jochen Kuhns Kurzfilm aber vermag es mit meisterlichem Können auf ein neues Niveau zu heben.Eine angenehm sonore Stimme, die erzählt, eine Animation, die, der Erzählung folgend, visualisiert: Kuhn hat mit IMMER MÜDER das Motiv des “Beständig-müde-seins“ aufgegriffen, filmisch treffend umgesetzt und eine schön erzählte Geschichte über ein an sich bedrückendes Thema gemacht.
IMMER MÜDER begleitet Kuhns hervorragend gemalten Protagonisten auf seiner animierten Reise durch dessen Leben. Dabei gibt ein Erzähler die Geschichten vor, die die Animation abbildet. Der dramaturgische Clou: Kuhn überzeichnet. Seine Bebilderung folgt den Erzählungen aufs Wort. Kuhns Animationsfigur vermag nicht zu abstrahieren. Alle Vorfälle, die der Erzähler erwähnt, führt sie stante pede aus. Sie nimmt die Geschichten und Geschichtchen beim Worte und setzt sie 1:1 um. Das ist nicht nur schön anzusehen, das erregt auch Heiterkeit.
Ob im Büro, auf der Straße oder vor Gericht, die Jury konnte miterleben, wie sehr Kuhns Protagonist darunter leidet, überall und immerzu müde zu sein. Für seinen erzählerischen Strang hat Kuhn offenbar „dem Volk aufs Maul“ geschaut und Nachbarschaftstratsch über das Müde-sein zusammen getragen. Für sich allein genommen wirkt dementsprechend nahezu jeder der beispielhaften Vorfälle glaubhaft und lebensnah. Erneut aber nutzt Kuhn Formen der Groteske. Es sind nicht einzelne Vorfälle, sondern eine schier endlos wirkende Reihung an Vorfällen, von denen sein Erzähler lakonisch berichtet. Kuhns Steigerungen sind provokativ, seine Überzeichnungen erregen Widerstand. Mit jeder Wiederholung, so erkannte die Jury, wird der durchaus nachvollziehbare Wunsch zu Schlafen ins Pathologische gewendet. Am Ende steht der persönliche Ausstieg aus Alltag und Gesellschaft.
Aber was wäre eine gute Geschichte ohne ihre Umsetzung? Jochen Kuhn malt genauso aufwändig wie minimalistisch. Als besondere Leistung wertete die Jury, dass Kuhns Kurzfilm bei allem thematischen Ernst niemals an Charme verliert. IMMER MÜDER lebt sowohl von seiner augenzwinkernden Schilderung als auch von der “schönen“, romantisch-surrealen Bebilderung. In ihr verschwimmen Traum, Realität und Vorstellung auf wunderbare Weise. Dramaturgische Unterstützung erfährt die Bebilderung in den stimmigen, szenischen Übergängen. Die Blenden und Unschärfen erinnerten die Jury, thematisch treffend, an das Zufallen der Lider, kurz vor dem Einsetzen des Schlafs.
Auch das Phänomen der Müdigkeit, das medial bereits vielfältig bearbeitet worden ist, vermag Jochen Kuhns Kurzfilm dem Thema ganz neue Seiten abzugewinnen. Dramaturgisch und auch zeichnerisch wertete die Jury IMMER MÜDER als ein hervorragendes Projekt, das sie auch gerne ein zweites Mal gesehen hätte. Dafür vergibt sie einstimmig das Prädikat „besonders wertvoll.“