Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Dieser Kurzfilm ist in seinen Stilmitteln so verspielt, dass man kaum glauben mag, dass er dennoch seinen Themen Demenz und Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit in einer dysfunktionalen Familie gerecht werden kann. Nach einer ersten, realistisch inszenierten Szene, in der der Protagonist Christian telefonisch von der Mutter zu seiner sterbenden Großmutter gerufen wird, weist schon die in der Form eines Kaleidoskop animierten Titelsequenz darauf hin, dass darauf kein dröge naturalistisches Familiendrama folgen kann. Nach einer noch halbwegs konventionell erzählten Exposition wird der Film dann zu einer wilden Fantasmagorie, wenn der Enkel ans Bett der Großmutter tritt und in ihre Gedankenwelt hineingezogen wird, die nur noch aus Erinnerungen besteht. Nachdem er durch den Spiegel in ihrem Schlafzimmer gegangen ist, tanzt er im Stil einer alten Revuenummer mit ihr eine Showtreppe herunter, dann setzen die beiden sich in ein Kino, in dem Bilder von Feiern der vermeintlich glücklichen Familie in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt werden. Doch bei der letzten Sequenz aus dem Jahr 1942 muss Christian erkennen, dass jenes Gemälde, das die ganze Zeit über als Familienschatz in Ehren gehalten wurde, und dessen Verkauf seine Eigentumswohnung finanzierte, aus der Wohnung jüdischer Nachbarn geplündert wurde. Diese Erkenntnis erschüttert Christian bis in die Grundfesten – dafür hätte es des letzten, entlarvenden Ausrufs der Sterbenden gar nicht bedurft. Wenn der Film mit dieser dramaturgisch effektiven Pointe geendet hätte, wäre er eine Farce mit boshaftem Witz gewesen. Aber Epstein arbeitet viel subtiler, wenn er GLOOMY SABBATH damit ausklingen lässt, wie Christian verzweifelt versucht, einen dunklen Fleck an seiner weißen Wand zu entfernen. Epstein kann sowohl nuanciert wie auch überbordend erzählen, und es gelingt ihm, mit jeder Sequenz neu zu überraschen. Deshalb wird GLOOMY SABBATH das Prädikat „besonders wertvoll“ verliehen.