Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Kinostart: 10.10.75
1975
Filmplakat: Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Kurzbeschreibung

Heinrich Bölls Erzählung um die von der Boulevardpresse gejagte Katharina Blum als kritischer Polit-Thriller.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Volker Schlöndorff; Margarethe von Trotta
Darsteller:Angela Winter; Mario Adorf; Dieter Laser
Drehbuch:Volker Schlöndorff; Margarete von Trotta
Buchvorlage:Heinrich Böll
Kamera:Jost Vacano
Schnitt:Peter Przygodda
Musik:Hans Werner Henze
Länge:106 Minuten
Kinostart:10.10.1975
Produktion:
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuss hat dem Film einstimmig das höchste Prädikat erteilt. Maßgeblich dafür war der zeitkritische Gehalt und die Gestaltung des Films.
In der Debatte wurde im Einzelnen ausgeführt, es sei sicherlich kein Einzelfall und gewiss nicht nur in der Bundesrepublik möglich, dass ein Mensch ins Räderwerk der Apparate von Polizei und Massenmedien gerät. Doch müsse die Gefährdung der Menschenrechte als Gefahr in ihrer Gefährlichkeit auch dann angeprangert werden, wenn sie nur in Ausnahmefällen und in Verfälschung der demokratischen Aufgaben von Polizei und Massenmedien existiert und auch nur als möglich erscheint.
Der Film sei als ein Aufschrei zu begreifen, der dem Gewissen die unveräußerlichen Menschenrechte auch jener Menschen vor Augen rücken wolle, die tatsächlich zwar die Menschenwürde anderer verletzen, denen aber dennoch Menschenrecht und
–würde nicht beeinträchtigt werden dürfe, wenn nicht diejenigen, die dies sich erlauben, ihre eigene Würde und Menschlichkeit in Frage stellen wollen.
So sehr der Ausschuss die konkret vorgetragenen und konkret begründeten Anklagen des Films unter dem Gesichtspunkt des zeitkritischen Gehalts und der sachlichen Richtigkeit (nach § 6 der Verfahrensordnung) zu prüfen hatten, so wenig konnte er sich dazu verstehen, den Film auf die Praktiken der (hier nicht genannten) BILD-Zeitung und der Kölner Polizei zu beziehen: in diesen beiden Instanzen sah er paradigmatisch alle Massenmedien, alle Presseorgane, alle Sender, aber auch den Rechtsstaat in allen seinen Organen und Vertretern vor die Frage gestellt, welchen konkreten Stellenwert der Begriff Menschenwürde für sie besitzt.
Diese grundsätzlichen Überlegungen waren nach Meinung des Ausschusses nur gerechtfertigt angesichts eines Films, der sich dieses Thema nicht nur stellt, sondern es auch in einer sinnlichen Anschaulichkeit und gestalterischen Stringenz verwirklicht, die sachliche Genauigkeit mit überzeugender Darstellung und spannender Handlung verbindet. Die Leistung der Regie, die sich in der Interpretation der Romanvorlage und in der Veränderung der Erzählstruktur zeigt, die sich aber auch in der Besetzung der Rollen und der Führung der Darsteller manifestiert, profiliert die Thematik des Films bei aller Zeitbezogenheit nach Meinung des Ausschusses zu genereller Problematik. Buch, Kamera und Montage ordnen sich dieser Thematik nicht nur ein und unter, sondern tragen wesentlich dazu bei, dass die Gefahr eines Thesenstücks vermieden wird.
Der Ausschuss konnte nicht übersehen, dass dieser film Kontroversen hervorrufen will und wird. Nach seiner Meinung kann der Film auf Grund seiner Qualität und seines Engagements diese Kontroversen gleichzeitig intensivieren wie versachlichen.
(Dr. Gerd Albrecht)