„Die Tortur ist das fürchterlichste Ereignis, das ein Mensch in sich bewahren kann.“ Dieses Zitat stammt aus einem Essay des in Österreich geborenen Schriftstellers Jean Améry. Veröffentlicht im Jahr 1966 in seinem Buch „Jenseits von Schuld und Sühne“, gilt der Text über die Folter, die Améry 1943 im belgischen Fort Breendonk selbst erlitt, bis heute als eine der fundamentalen Auseinandersetzungen mit dem Thema. Der Filmemacher Dieter Reifarth nimmt den von Améry selbst gelesenen Text als auditive Grundlage für seinen filmischen Essay DIE TORTUR und reist nach Breendonk, heute belgisches Nationalmuseum. Während Améry mit eindrucksvoller und betont sachlicher Stimme seine persönlichen Erfahrungen darlegt, abstrahiert er gleichzeitig in einem Maße, das seine Betrachtungen in den Stand der Allgemeingültigkeit erheben. Fern jeder Fiktionalisierung bezieht sich die visuellen Ebene des Films auf die Gegenwart – die Bilder tun nie so, als wäre heute damals. Wir sehen umherlaufende Besucher, die den Innenhof säumen, durch kalte Verließe schreiten, Gedenktafeln lesen oder ihren Audioguides lauschen. Wir begegnen Gesichtern die von Ernst, Nachdenklichkeit und Verdrossenheit erzählen. Genau zwischen dieser Alltäglichkeit des hier und jetzt der Betrachter und der musealisierten Distanz zum Vergangenen, schließen Reifarths Bilder den Kreis zu Amérys Worten. „Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt“ heißt es an einer Stelle. Eine andere besagt „Es wird aufgeheult unter der Tortur. Vielleicht in dieser Stunde, in dieser Sekunde“. Auf erschreckend eindrückliche Weise wird dies auch dem heutigen Betrachter bewusst, der sich dem Sog von Amérys Worten nicht entziehen kann. DIE TORTUR ist eine überaus gelungene filmisch-philosophische Reflexion zu einem erschütternden Text von hoher politischer Relevanz.