Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
In ihrem animierten Kurzfilm haben Daniella Kofler und Uli Seis ein zugleich einfaches, originelles und sehr effektives Stilmittel gefunden, um die Befindlichkeiten ihrer Protagonisten deutlich zu machen. Die gezeichneten und eher minimalistisch animierten Figuren tragen Setzkästen auf ihrer Brust, in denen jeweils Dinge einsortiert sind, die für sie eine zentrale Bedeutung haben und zeigen, welche Erinnerungen ihre Sicht auf die Welt prägen. Netta ist eine junge Frau aus Israel, deren Vater der Sohn von Holocaust-Überlebenden ist, und seiner Tochter eine Abscheu vor den Deutschen eingepflanzt ist. So trägt sie in ihrem Setzkasten in dem zentralen Fach (auf englisch „compartment“) über dem Herz den Judenstern. Doch als sie sich in einen Deutschen verliebt und mit ihm nach Berlin zieht (er trägt den Fernsehturm über dem Herzen) wandert bei ihr der Judenstern in ein kleineres Fach, während ihr Vater in Israel entsetzt über ihre Entscheidung ist und den Kontakt zu ihr abbricht. Wie die Protagonisten mit dieser Krise umgehen, wird dadurch verdeutlicht, dass die symbolischen Gegenstände in den Kästen in verschiedene Fächer wechseln. Damit ist den Filmemachern eine poetische Beschreibung ihrer Seelenzustände gelungen. Netta ist glücklich in Berlin, entdeckt die idyllischen Orte der Stadt (wie einen sonnenbeschienenen Flohmarkt), wird aber durch die rassistische Bemerkung von einem Imbissverkäufer auch wieder daran erinnert, was die Deutschen den Juden angetan haben. Bei einer Fahrt mit der U-Bahn über den Wittenbergplatz, auf dem damals die Juden Berlins zur Deportation in die Vernichtungslager zusammengetrieben wurden, mischen sich vor ihrem inneren Auge historische Bilder von diesem Verbrechen mit heutigen Stadtbildern. Eine Versöhnung mit ihrem Vater wird schließlich wieder durch ein Objekt möglich, das die Liebe zwischen Vater und Tochter symbolisiert und in ihrem Setzkasten schließlich die zentrale Stelle einnimmt. COMPARTMENTS ist ein zärtlicher, komplexer sowie sehr menschlicher Film und den beiden Filmemachern, sie aus Jerusalem und er aus Leipzig, ist damit eine künstlerisch überzeugende Einheit von Form und Inhalt gelungen.