Birkenau und Rosenfeld

Kinostart: 15.04.04
2002

FBW-Pressetext

Subjektive, allein auf eine Person abgestellte Aufarbeitung des Holocaust - das Erinnern, das Vergessen, das Nichterinnern-Wollens, die Schauplätze - damals, heute. Ein starkes filmisches "Dokument", das emotional bewegt und zur Auseinandersetzung zwingt.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Marceline Loridan-Ivens
Darsteller:Anouk Aimée; August Diehl; Claire Maurier
Drehbuch:Marceline Loridan-Ivens; Jean-Pierre Sergent
Länge:92 Minuten
Kinostart:15.04.2004
Verleih:Academy Films Ludwigsburg
Produktion: Mascaret Films, Capi Films, Paris / Partisan Filmproduktion, Berlin / Heritage Films, Warschau / BR, München / SWR, Stuttgart

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Film zeigt einfühlsam die ganz persönliche Spurensuche von Myriam (Anouk Aimée), einer Überlebenden der Schrecken des Holocaust. Eindrücklich wird die Spannung zwischen Erinnern und bewußt oder unbewußt in Vergessenheit geratenen Einzelheiten sicht- und hörbar. So werden Szenen aus ihren Erinnerungen am Ort des Geschehens oft durch Stimmen, Töne und Geräusche aus dem Off verdeutlicht, die eine größere Intensität erreichen, als Bilder allein es manchmal können. Der Film stellt nicht die unfaßbaren Fakten der Naziverbrechen in den Vordergrund, die distanzierend wirken könnten, sondern gestattet dem Betrachter seltene Momente der Nähe zum Schicksal dieser Frau.
Bei ihrer Suche nach verbliebenen Juden und Orten ihrer Kindheit in Krakau stößt Myriam auf Eigentümliches und Überraschendes. So lernt sie im jüdischen Café, das nur wegen der Besucher dieses Glaubens vom Lager Birkenau eröffnet wurde, einen Mann kennen, der offensichtlich jüdischer Abstammung ist, aber, wie viele andere auch, einen polnischen Namen trägt. Sie erfährt, daß nur noch etwa 100 Juden in Krakau leben.
Als sie dann mit Hilfe dieses Mannes die Wohnung ihrer Eltern betreten will, stößt sie auf Ablehnung. Die jetzt dort lebende Polin übernahm die Wohnung von ihrer Mutter. Verunsichert durch die unsichere Rechtslage in ihrem Land, befürchtet sie, nun aus dieser Wohnung ausziehen zu müssen. Nur durch die diplomatische Vermittlung ihres Begleiters und seine Übersetzung schlägt die auf beiden Seiten spürbare Verbitterung nicht in gegenseitige Aversion um. An der Episode zeigt sich beispielhaft die feinfühlige Beobachtung durch eine Kamera, die Stimmungen wie diese aufmerksam registriert, aber nicht wertet.
Andere bleibende Bilder verbinden sich mit den Jugendlichen im Film. So kann das mehrfach erscheinende rothaarige Mädchen symbolisch für die junge Myriam stehen. Das jüdische Mädchen, ebenfalls eine Besucherin des Lagers, nimmt Myriam tröstend in die Arme, und später tanzt es ausgelassen in einer Disko. Es erinnert wahrscheinlich an eine im KZ umgekommene junge Ballettänzerin und kann gleichzeitig dafür stehen, daß die schreckliche Vergangenheit zwar in der Erinnerung bleibt, aber durch die Jugendlichen wieder Brücken zwischen den Völkern gebaut werden.
Um so auffälliger ist die dramaturgische Diskrepanz der Szenen mit dem Enkel des deutschen SS-Mannes, der u.a. auch Birkenau geplant hat. Sie erreichen nie wirklich Dichte und Geschlossenheit. Für die Entschlüsselung der feinen Nuancen und Vielschichtigkeit in dem Film wäre es hilfreich, wenn alle fremdsprachigen Texte (also auch die englischen und polnischen) untertitelt würden.