Außer Atem

Kinostart: 05.07.60
1959
Filmplakat: Außer Atem

Kurzbeschreibung

Auf dem Weg nach Paris gerät der Autodieb Michel in eine Verkehrskontrolle und erschießt einen Polizisten.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm; Kriminalfilm
Regie:Jean-Luc Godard
Darsteller:Jean Seberg; Jean-Paul Belmondo; Henri-Jacques Huet
Drehbuch:Jean-Luc Godard
Buchvorlage:Francois Truffaut
Kamera:Raoul Coutard
Schnitt:Cecile Decugis
Musik:Martial Solal
Länge:90 Minuten
Kinostart:05.07.1960
Verleih:Europa Filmverleih
Produktion: , Productions Georges de Beauregard
FSK:16

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Bewertungsausschuss hat dem film das Prädikat „Besonders wertvoll“ verliehen. Der Film ist ein so überzeugendes Kunstwerk, dass allen Argumenten, die sich gegen sein heikles Thema richten könnten, von vornherein die Spitze genommen ist. Ihn zeichnet eine absolute Wahrhaftigkeit aus, weil er darauf verzichtet, Tatbestände der modernen Existenz und der menschlichen Beziehungen zu bemänteln oder sentimental zu verfälschen. Dadurch erlangt er trotz seiner verzweifelten Amoralität eine höhere Art von Moral. Es gibt wenig Filme von solcher Aufrichtigkeit und von so bewusster Modernität der Aussage.
Der Film schildert die Liebesbegegnung einer amerikanischen Studentin und eines Gangsters in Paris. Die beiden finden und verlieren sich ohne erkennbare Impulse oder Motive. Sie sind in einer merkwürdigen Schicksalslosigkeit für kurze Zeit aneinander gebunden und ertragen diese Bindung scheinbar fern jeder Emotion. Die Beiläufigkeit und Nüchternheit ihrer Beziehung drückt sich sinnfällig in ihren Gesprächen aus. Diese Gespräche sind wie ein leidenschaftsloses Stenogramm und lassen im Grunde nicht erkennen, wie tief die Beziehung der beiden reicht. Ihre Liebe, soweit dieses Wort hier überhaupt am Platze ist, scheint völlig reduziert auf das bloße erotische Einverständnis. Sie leiden ebensowenig aneinander wie sie etwa durch ihre Liebe innere Beglückung finden könnten. Der Film macht sie zu Exponenteneiner Daseinsleere, die sie nichts hoffen, nichts erwarten lässt, aus der heraus aber auch keinerlei Aktivität mehr möglich ist. Wenn von Modernität gesprochen wurde, so deshalb, weil der Film mit seinen genuinen Mitteln eine schonungslose Bestandsaufnahme moderner Existenz versucht, wie sie ja auch von einem großen Teil der Gegenwartsliteratur unternommen wird. Es geht um die Darstellung der Kontaktarmut des Menschen, der – am Rande der Apokalypse- die Schalheit seines Lebens erkennt.

Im Bereich der filmkünstlerischen Bewältigung des Stoffes bestechen vor allem Kamera und Schnitt. Die Kamera verrät eine sehr intellektuelle, kühle Bildauffassung, ohne dass man sagen könnte, sie sei gekünstelt oder effektvoll. Ihre wohl stärkste Intensität entfaltet sie in der Großaufnahme. Hier kommt ihr die Tatsache entgegen, dass es sich um ein Zweipersonenstück handelt und sie deshalb einen ungezwungenen Zugang zum Kammerspiel hat. Die hohe Kunstfertigkeit des Schnitts ist darin zu erblicken, dass das (zumeist auf einen engen Raum begrenzte) Geschehen nicht erstarrt, sondern dynamisch bleibt. Der Schnitt besitzt eigenwillige Rhythmik; auf sehr breit dargebotenen Einstellungen folgen plötzlich gedrängte, „kurzatmige“ Bildsequenzen und umgekehrt. Dieses Prinzip des Wechsels zwischen Verdichtung und Auflösung wird mit Konsequenz geübt und macht zu einem guten Teil den besonderen Stil dieses Films aus.
Mit Jean Seberg und Jean-Paul Belmondo sind dem Regisseur Jean-Luc Godard zwei großartige Darsteller an die Hand gegeben. Ihre Darstellungskunst wird dem jeweiligen Charakter ihrer Rollen in makelloser Weise gerecht. Eine Regieleistung ist immer dann perfekt, wenn man sie gleichsam als nicht vorhanden notieren kann. Das gleiche lässt sich von der musikalischen Behandlung der Bildfolge sagen. Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Zeichensetzung, die das Spielgeschehen sinnvoll akzentuiert. Volle Anerkennung verdient schließlich die deutsche Synchronisation des Films.
(Prager)