Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Der Film greift mit dem Amoklauf an einer Schule ein brisantes gesellschaftliches Thema auf. Das Risiko, der Komplexität des Themas in einem Kurzfilm nicht gerecht werden zu können, ist daher hoch. Diesem Risiko versucht der Film zu entgehen, indem er auf narrative Reduktion setzt. Er erzählt von einem Lehrer, dessen Leben aufgrund einer Amokerfahrung aus den Fugen geraten ist. Er geht nicht mehr zur Arbeit und scheint generell seine Wohnung kaum zu verlassen. Erst als die Mutter eines Schülers zu ihm kommt und ihm deutlich macht, dass die Kinder ihn brauchen und sein Verhalten feige sei, kehrt er ins Leben zurück. Darüber, ob die Reaktion des Mannes psychologisch nachvollziehbar ist, ließe sich trefflich streiten. Die Konfrontation zwischen der Mutter und dem Lehrer ist jedoch im Detail zweifellos präzise inszeniert und von sehr guten Darstellern getragen. Vor allem eine Dialogpassage ist hervorzuheben: wenn die Mutter den Lehrer auf ihren Sohn anspricht, der offenbar bei dem Amoklauf ums Leben gekommen ist, und der Lehrer sie fragt, ob sie wisse, dass ihr Sohn zu jenen gezählt habe, der Schwächere gehänselt habe. Hier scheint der Kristallisationspunkt des Filmes ausgesprochen zu werden: Der Lehrer glaubt versagt zu haben, nicht erkannt zu haben, was sich da anbahnte. Doch wie groß ist seine Schuld, wenn die Mutter gleichfalls eine negative Eigenschaft ihres Kindes nicht kannte? Ebenfalls für die Qualität des Films spricht, dass er vieles in der Schwebe hält. Was genau in der Schule passiert ist, wird nicht gezeigt. Als der Lehrer nach dem Gespräch mit der Mutter unter der Dusche steht, ist nur der Ton der schrecklichen Tat zu hören. Welche Rolle der Sohn der Mutter dabei genau spielte, bleibt ebenfalls unklar. So geht es in dem Film um die zentrale Frage der Schuld des Lehrers und wie er diese Schuld, die zu einem Trauma geworden ist, verarbeiten kann.