Zuletzt befreit mich doch der Tod

Filmplakat: Zuletzt befreit mich doch der Tod

FBW-Pressetext

Beate Middeke hat sich ein schwieriges Sujet ausgesucht. Sie zeichnet das Schicksal der psychisch tief verletzten jungen Gwendolin/ Kay nach. Dabei nutzt sie deren Aufzeichnungen zur Rekonstruktion ihres Leidens von den Ursprüngen in der eigenen Familie, der Gewalt, der Vernachlässigung, des Missbrauchs, bis hin zu ihrem Selbstmord. Indem sie diesen Schilderungen teilweise sehr widersprüchliche Aussagen von Verwandten, Freunden und Vertrauten aus Mädchenhäusern gegenüberstellt macht sie auch klar, dass sich die Wahrheit nicht so einfach fassen lässt, sondern viele Gesichter hat. Ein verstörendes, beklemmendes Portät, das irritiert und lange aufwühlt.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Beate Middeke
Drehbuch:Beate Middeke
Länge:77 Minuten
Produktion: Beate Middeke, Beate
Förderer:Filmstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Meeresbilder. Im Off Zitate aus einem Tagebuch: „Ich möchte, wenn ich tot bin, im Meer versenkt werden... Das Meer ist mein Rettungsort gewesen.“ Es folgen bittere Vorwürfe an die Familie, an die Umwelt. Später hören wir im Film diese Zitate: „Ich habe keine Kraft mehr. Ich habe alles verloren. Ich will niemand mehr wiedersehen. Ich habe mich entschieden. Ihr könnt mir nicht mehr helfen zu leben.“

2001 nimmt sich die 25jährige Gwendolin, die sich zuletzt Kay nannte, das Leben – nach vielen Jahren voller Suizidversuche, von Psychiatrieaufenthalten, Einweisungen in Kliniken, Heimen. Gwendolin ist das Opfer einer tödlich endenden Traumatisierung. „Es bleibt, sich selber auszulöschen.“

Die Bielefelder Filmemacherin Beate Middeke hat mehrere Jahre recherchiert, Gespräche geführt und aufgezeichnet. Ein Berg von 50 Stunden Material wird schließlich in 76 Minuten strukturiert. Beate Middeke sieht Gwendolin kurzes erschütterndes Da-Sein stellvertretend für eine Vielzahl ähnlicher familiärer Tragödien in Deutschland und verwandter Opfergeschichten nach Ausgrenzung, Vernachlässigung, Missbrauch oder Gewalt.

„Das Trauma hört nicht auf, wenn wir den Ort des Grauens verlassen haben – es lebt in einem weiter.“ - ein radikales, schwer zu ertragendes Dokument, ein Zeugnis, das unter die Haut geht. Auch weil die Autorin auf jegliche Dramatisierung verzichtet, weder Szenen nachgestellt noch Gwendolin (in Fotos et cetera) sichtbar werden lässt.

Die Tote erscheint nur in der Spiegelung ihrer eigenen schriftlichen Äußerungen und in den Erinnerungen ihrer Umwelt und ihrer „Nächsten“. Formale Askese hat das Primat in dieser intensiven Spurensuche.

Wir hören Zeugnisse voller Wiedersprüche, angefüllt mit Unklarheiten, Vorwürfen, Verdächtigungen, auch Selbstmitleid. Eine Hölle tut sich auf. Wahnvorstellungen oder grausame Realität? Gewissheit gibt es nicht.

„Ich wollte den Zuschauern keine Ausblicke gewähren, sondern nur Einblicke“, so Beate Middeke. „Sie sollen sich nicht entziehen können.“ Auch wenn ab und zu der Film in einen Wiederholungsmechanismus gerät, vom eigenen Material übermannt zu werden scheint, es bleibt ein denkwürdiges Stück Trauerarbeit mit dem lang nachhallenden Echo: Wie viele Gesichter hat die Wahrheit?