Zigeuner

Kinostart: 21.03.09
2007
Filmplakat: Zigeuner

FBW-Pressetext

Ein unbequemer und deshalb wertvoller Film. Wichtig ist, dass er überhaupt gemacht wurde, denn die Aufgabe des Dokumentarfilms ist die Wirklichkeit. 30 Tage war der renommierte Regisseur Stanislaw Mucha (Die Mitte und Absolut Warhola) in den Zigeuner-Slums der Ost-Slowakei unterwegs. Die Zustände dort, in unserem modernen Europa, sind himmelschreiend. Der Film zeigt Bilder schockierender Armut. Es sei der erste Film, den er „aus Empörung gedreht hat“, sagt Mucha.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Stanislaw Mucha
Drehbuch:Stanislaw Mucha
Länge:92 Minuten
Kinostart:21.03.2009
Produktion: U5 Filmproduktion GmbH & Co. KG
Förderer:Hessische Filmförderung

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Ein Film, der Widerspruch auslöst, der Vorurteile zu bestätigen scheint, der auch eine ganz andere Wirkung erzielen könnte, als vom Regisseur intendiert. Auf seiner 30tägigen Reise durch Zigeunersiedlungen in der Ost-Slowakei hat Stanislaw Mucha Aufnahmen von schockierender Armut gemacht.

Er zeigt elende Behausungen, Dörfer ohne Kanalisation, Wasser und Strom, Straßen voller Müll und immer wieder Kinderhorden, die das Kamerateam umringen. Kinder scheinen dort das Einzige zu sein, an dem kein Mangel herrscht – und klagende Erwachsene. Diese sind meist begnadete Selbstdarsteller: Jeder lamentiert mit theatralischer Inbrunst und der Zuschauer sollte nie vergessen, dass Mucha hier nicht zeigt, wie diese Menschen sind, sondern wie sie sich geben, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist. Dabei entsprechen sie erschreckend oft den Klischees, die von den Sinti und Roma bestehen. Sie sind schlitzohrig, wild und aufbrausend, nicht unbedingt gesetzestreu und heillos untereinander zerstritten.

Als eine Art Running Gag fragt Mucha in jeder Siedlung, ob es denn wahr wäre, dass Zigeuner Hunde essen würden. Und alle weisen dieses für sich selber empört zurück, aber im jeweils nächsten Dorf wäre kein Köter vor dem Kochtopf sicher. Auch die Klagen darüber, wie die Fördergelder der EU bei den „Weißen“ versickert und von den EU-Projekten in den Zigeunersiedlungen nur ein billig aufgebauter Sportplatz oder Bauruinen übrig blieben, werden in immer neuen Variationen angestimmt. Verdächtig stimmt dabei nur, dass die Bürgermeister der Orte und ein Abgeordneter, bei dem die 100 Euro Bestechungsgeld sogar als Untertitel eingeblendet wurden, jeweils spürbar die eigenen Interessen vertreten, und zum Teil extrem abfällig über jene reden, die sie doch vertreten sollten.

Mucha kann und will mit seinem Film nur ein Stimmungsbild liefern. Manchmal wünscht man sich, er hätte ein wenig mehr recherchiert und würde etwas mehr Hintergrundinformationen liefern. Mit seiner Methode des direkten Befragens von Leuten auf der Straße stößt er hier an seine Grenzen – so gibt es Redundanzen, und mit dem „Kinomaß“ von etwa 90 Minuten ist der Film eindeutig zu lang. Doch man kann ihm nicht vorwerfen, er denunziere die Menschen vor seiner Kamera. Man merkt, dass seine Sympathien bei ihnen liegen – in einer schönen Szene neckt sogar der Tontechniker ein Baby, indem er es mit seinem Puschelmikrophon anstupst.

Aber auch die Bilder von fröhlich herumtollenden Kindern und vom Musiker mit dem Akkordeon, der das traurige Lied von den Toten der Flutkatastrophe singt, bestätigen wieder die Vorurteile. Auf diese wird der Zuschauer immer wieder zurückgeworfen, mit diesen muss er sich auseinander setzen, und das macht „Zigeuner“ zu einem unbequemen und deshalb wertvollen Film.