Wochenendrebellen

Kinostart: 28.09.23
VÖ-Datum: 09.02.24
2023
Filmplakat: Wochenendrebellen

FBW-Pressetext

Vater und Sohn auf der Suche nach dem perfekten Fußballverein - die Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsblogs eines autistischen Jungen und seines Vaters ist perfektes Wohlfühl-Kino mit Herz und Humor – ein filmischer Volltreffer in jeder Hinsicht.

Jason ist Autist. Seine Eltern erhielten die Diagnose, als Jason noch ein Baby war. Seitdem hat sich die Familie mit den Alltagsherausforderungen arrangiert und versucht, Jason ein möglichst normales Umfeld zu bieten. Doch gerade in der Schule eckt Jason immer wieder an und auch die Familienharmonie leidet unter den ständigen Konflikten. Als Jason ganz plötzlich darauf fixiert ist, sich selbst einen Lieblingsfußballverein suchen zu wollen (oder, so wie er sagt, zu müssen), entsteht ein irrwitziger Plan: Jason und sein Vater Mirco werden alle Stadien der drei Profi-Ligen besuchen und dann einen Favoriten für Jason auswählen. Dabei gilt es natürlich verschiedene Parameter zu beachten. Die weit über eine reine Fanleidenschaft, den Klang der Hymne oder die Bratwurst vorm Stadion hinausgehen.

Marc Rothemunds neuer Film beruht auf einer wahren Geschichte, die Jason und Mirco von Juterczenka in ihrem Blog und Buch „Wir Wochenendrebellen“ im Jahr 2017 genauso erlebt und aufgezeichnet haben. Mit viel Feingefühl für Zwischentöne achten Regie und Drehbuch darauf, die Situation der gesamten Familie im Blickpunkt zu halten. Die sich aufopfernde Mutter, gespielt von Aylin Tezel, die zugeben muss, mit ihren Kräften am Ende zu sein, aber auch der überforderte Vater Mirco, der sich bisher aus der Erziehung eher rausgehalten hat und nun direkt mit Jasons Bedürfnissen konfrontiert wird. Florian David Fitz verkörpert genau diese Mischung aus Einfühlung und Überforderung mit dem ihm eigenen, exakten Gespür für richtiges Timing. Im Zentrum der Geschichte aber steht Jason, den Cecilio Andresen mit so viel Hingabe und Verve spielt, dass sich die Empfindungen eines autistischen Jungen sehr realistisch vermitteln. Dabei spielen auch das stimmungsvolle Sound-Design und die exzellente Kameraarbeit eine große Rolle. Immer wieder taucht der Film ein in Jasons Wahrnehmung, in das Rauschen in seinem Kopf, wenn das Außen zu laut und hektisch wird, in die überlauten Geräuschattacken, wenn ihn etwas überfordert, in den Tunnelblick, wenn er versucht, sich zusammenzureißen. Dass der Film neben der großen Sensibilität für das Thema Autismus enormes Unterhaltungspotenzial aufweist, liegt auch am Fußball, dessen Fanleidenschaft – für welchen Club auch immer – sich allein schon durch die vielen Fangesänge vermittelt, die von den Tribünen in ganz Deutschland erklingen. Mit sehr viel Feingefühl für die Protagonist:innen übersetzen Rothemund und der Drehbuchautor Richard Kropf die Geschichte von Jason und Mirco auf die große Leinwand und erschaffen einen Film, der warmherzig, tragikomisch, unterhaltsam und realistisch zugleich ist.

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Marc Rothemund verfilmt mit WOCHENENDREBELLEN den autobiografischen Erfahrungsbericht von Mirco von Juterczenka, der vor zehn Jahren in einem Blog begann, die Erfahrung des "Groundhopping" mit seinem damals sechsjährigen und mit Autismus diagnostizierten Sohn Jason zu schildern. Das Ergebnis ist ein ungeheuer feinfühliger Film, der Spannung, Humor und die Geschichte einer Ermutigung grandios verbindet mit absolut ungeschönten Einblicken in die Konfliktsituationen, in die einen das Unverständnis zwischen Autisten- und "Normie"-Welt bringen kann.

Der Kunstgriff des Films ist natürlich seine geglückte Anbindung zum populären Thema Fußball: Als Jason – der im Film zehn Jahre alt ist – einmal wieder große Schwierigkeiten in der Schule erlebt, stößt sein Opa (Joachim Król) den Gedanken an, er bräuchte eine Lieblingsfußballmannschaft. Mit autistischer Akribie trägt Jason seine Kriterien zusammen, die ein Verein, der ja schließlich sein Lieblingsverein werden soll, erfüllen müsste – und Vater Mirko (Florian David Fitz) entwickelt daraus die Idee, gemeinsam die Bundesrepublik zu bereisen, zu Spielen der verschiedensten Ligen, um vor Ort zu recherchieren, ob alle Kriterien erfüllt sind. Die Reisen fordern nicht nur Jason einiges ab, sondern auch dem Vater. Wieder und wieder müssen die beiden gemeinsam aushandeln, wie sie auch durch unpässliche Situationen kommen, und wie Fortschritt möglich ist, auch wenn sich an Jasons Autismus an und für sich nichts ändert.

WOCHENENDREBELLEN besticht durch die große Authentizität der gezeigten Konfliktsituationen, die wenig beschönigen, und zugleich nuancenreich klarmachen, dass es hier nie um Schuld geht: Nicht Jason kann etwas dafür, dass ihn manche Situation in einem vollen Zug überfordert, und auch sein Vater darf sich mal am Ende seiner Kräfte und Kapazitäten zeigen. Sehr gut funktioniert im Film die Einbindung der Szenen aus den realen Fußballstadien, die auf schöne Weise das Verbindende und Hochemotionale der Fan-Kultur belegen.

Grandios sind die beiden Hauptdarsteller: Florian David Fitz porträtiert präzise und sensibel einen Vater, der alles für den Sohn tun möchte, aber oft auch überfordert ist. Dass er die Widersprüche zeigen kann, erleichtert die Identifikation; er ist kein Übermensch. Und Cecilio Andresen als Jason gelingt das große Kunststück, seine schwierige Position im Leben verständlich zu machen – die Abhängigkeit von selbstgesetzten Regeln, die manchmal auch zu Stolpersteinen werden. Er nervt gleichsam mit seiner Rigidität und seinen Hilflosigkeiten, bleibt dabei aber immer sympathisch und nachvollziehbar, ohne je ins Süßliche oder Kitschige zu verfallen. Ebenfalls feine Akzente setzen sowohl der wunderbar zurückhaltend agierende Król als Opa und Aylin Tezel als unbedingt mitfühlende Mutter.

Die Jury war besonders beeindruckt davon, wie dem Film der Spagat zwischen Multiplex und Arthouse, Emotionalität und Humor gelingt, wie ernst er die Ticks und Symptome des Autismus zeigt – und sie dann doch auf die leichte Schulter nimmt. WOCHENENDREBELLEN erzählt populär und mitreißend und spart doch neben den positiven auch die negativen Gefühle nicht aus. Er wird dem Thema Autismus auf wunderbare Weise sehr gerecht – und nimmt völlig die Scheu vor einer Auseinandersetzung damit.

Außer Schauspiel und Regie tragen noch viele weitere Gewerke hier ihren Teil bei: wie etwa ein Sounddesign, das Jasons Empfindsamkeiten in vielen Situationen sehr gut hervorhebt, und eine Produktion, der es gelang reale Drehorte wie die einschlägigen Stadien und die deutsche Bahn zu gewinnen. Und dann schließt der Film auch noch mit einem gewinnenden Appell zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz. Sehr gerne erteilt die FBW-Jury dem Film in einstimmigem Votum das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.