Filmplakat: Wie der Mond

Kurzbeschreibung

Theas Tod kam viel zu früh. Doch die 20 Jahre, die sie lebte, nutzte sie in vollen Zügen. Auf Theas Beerdigung schauen wir in die Gesichter der Hinterbliebenen und hören gleichzeitig ihre ganz persönlichen Erinnerungen an die Verstorbene. In einer 360° Virtual Reality-Welt sehen wir per VR-Brille Theas Beerdigung auf einer Leinwand. Drehen wir uns um, bringt exakt derselbe Ton, in einem völlig anderen Kontext, ganz andere Bedeutungen zum Vorschein.
Prädikat wertvoll

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Es ist nicht einmal 10 Jahre her, da waren 360° Videos etwas für echte Nerds, für absolute Insider. Das hat sich rasch geändert. Immersive Videos sind aus dem Gaming-Sektor kaum mehr wegzudenken und sogar die öffentlich-rechtlichen Sender haben einige 360°-Videos ins Netz gestellt. Wirklich neu ist allerdings die eher experimentelle Anwendung von Sophie Therese Jungs WIE DER MOND. Durch eine Virtual Reality Brille betrachtet, zeigt ihr Experimentalfilm zwei zeitgleich ablaufende Szenen, eine Beerdigung und einen Blick auf eine Spielszene innerhalb eines Cafés.

Wenngleich keines der Jurymitglieder bislang eine VR-Brille benutzt hatte, zeigte sich die Jury über den Einzug einer neuen, filmischen Dimension in den Sichtungsalltag freudig überrascht. Und tatsächlich hat sich während der Diskussion ergeben, dass WIE DER MOND vor allem interpretativ zugänglich ist. Die über einen Kopfhörer zugängliche Tonebene darf dabei als Schlüssel zur Interpretation angesehen werden, da die Tonspur für beide Szenen des Films genutzt wurde. Dabei, so stellt die Jury fest, hebt WIE DER MOND das Motiv des Experimentalfilms auf eine neue Ebene, da der Film tatsächlich als Experiment, und zwar zur menschlichen Wahrnehmung, betrachtet werden kann.

In der Diskussion zeigte sich, dass WIE DER MOND zunächst ähnlich, wie Kippbilder funktioniert, also jene zweidimensionalen Bilder, die je nach Betrachtung z.B. eine junge oder alte Frau, bzw. eine Ente oder einen Hasen, zwei Gesichter oder eine Vase zu erkennen geben. Im Fall von WIE DER MOND kommen allerdings noch eine Ton- und eine Zeitebene hinzu. Da der Film knapp fünf Minuten läuft, kann sich der Betrachter immer wieder an höchst individuellen Stellen den Szenen neu zuordnen. Während der Ton durchläuft nimmt der Betrachter mal an der Beerdigung Teil, mal wohnt er der Café-Szene bei, usw. Aus dieser individuell abwechselnden Betrachtung setzt jeder Betrachter seinen eignen Film zusammen, er setzt quasi Schnitte mit der Bewegung des Kopfes hin und weg von der jeweiligen Szene. Da hierbei aber die Tonebene weiter durchläuft, versucht das Bewusstsein des Betrachters unweigerlich Zusammenhänge zwischen Beerdigung und Café zu konstruieren. Dies führt letztlich dazu, dass jeder Betrachter, und somit auch die Jury, einen individuellen, sehr unterschiedlichen Film wahrnimmt, der sich aus den Fragmenten beider Szenen und des Tons ergibt.

Weil sich die Prädikate der FBW auch auf eine gewisse Vergleichbarkeit der Filme stützt, diese Vergleichbarkeit zu ähnlichen Experimentalfilmen aber nur bedingt gegeben ist, hatte die Jury auch die Frage zu diskutieren, was sie im Falle von WIE DER MOND zu bewerten habe: die Machart, das Experiment oder die eigene subjektive Erfahrung. Vom Experimentellen hat der Film vollauf überzeugt, den filmischen Ansatz bewertete die Jury als erfrischend anders und hochoriginell. In der Tat erlebte die Jury mehr als nur zwei glaubhafte Interpretationen des Gesehenen durch die Jury-Mitglieder. Allerdings glaubt sie, dass es bei diesem Experimentalfilm angezeigt wäre, ihn anders, als herkömmliche Filme, mehr als nur einmal zu sehen. Eine Rahmenbedingung, der sich vermutlich mit der filmischen Intention der Regisseurin deckt.

Allerdings bemerkte die Jury in der Diskussion auch, dass der Film einige handwerkliche Schwächen aufweist. So zeigt er sich vom Look in der Friedhofsszene anders als in der Spielszene im Café. Der Ton wiederum hielt sich nach Meinung der Jury bestenfalls auf einem experimentellen Niveau und schien in Bezug auf seine filmische Qualität, als Gesamtkonzept nicht überzeugend. Dazu wirkten die Dialoge mitunter ein wenig hölzern und auch die schauspielerischen Fähigkeiten konnten nicht durchgehend überzeugen.

Nichtsdestotrotz erkennt die Jury in WIE DER MOND eine äußerst interessante, filmexperimentelle Entwicklung und freut sich auf nachfolgende Projekte, die sie auch ausdrücklich ermutigen will. Nach intensiver Diskussion verleiht die FBW-Jury dem Film gerne das Prädikat „wertvoll“.