Wherever Paradise Is

Filmplakat: Wherever Paradise Is

FBW-Pressetext

Anja ist vor Jahren mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Maxim aus Russland nach Deutschland gekommen. Während ihre Mutter sich mit verschiedenen Putzjobs über Wasser halten muss, versucht Maxim, in der Schule gute Leistungen zu bringen. Doch Anja hat keine Lust auf Ankommen, auf Anpassen, auf Deutschland. Sie sieht das Land nicht als neue Heimat, sondern als Zwischenstation auf dem Weg nach Amerika, dem „Paradies“, wie sie selbst sagt. Doch so lange Anja dort nicht hinkommt, muss sie eben einfach das Leben aushalten. Das klappt auch ganz gut. Bis die Mutter verkündet, dass der Vater, mit dem Anja keine positiven Erinnerungen verbindet, nun auch bald zur Familie stoßen wird. Und so bricht der schützende Kokon der alltäglichen Monotonie auf und Anja muss sich entscheiden, wie es für sie weitergehen soll. Die Tristesse eines jugendlichen Alltags, irgendwo zwischen Trotz, Langeweile und dem Versuch, sich selbst zu finden und zu verwirklichen: WHEREVER PARADISE IS von Roman Wegera greift all diese Emotionen auf und packt sie in atmosphärische Bilder. Die große Entdeckung des Films ist Polina Grinjova als Anja, deren starke Leinwandpräsenz reicht, um das Lebensgefühl einer jungen Frau, die sich durch den Migrationshintergrund nirgends zugehörig fühlt, auszudrücken. Und auch John-Luca Gense als Maxim, Nadja Bobyleva als Mutter und Mikhail Pashchuk als Anjas Freund Jura überzeugen in ihren gut geschriebenen Rollen, die nur wenig Dialog brauchen, um Emotionen zu vermitteln. Nicht alle Gefühle oder Motive werden ausdekliniert, was der Erzählung etwas Geheimnisvolles verleiht. Ein atmosphärisch-dichter Kurzspielfilm über ein jugendliches Lebensgefühl zwischen Trägheit und Aufbruch.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Coming-of-Age; Kurzfilm
Regie:Roman Wegera
Darsteller:Polina Grinjova; Nadja Bobyleva; Mikhail Pashchuk; John-Luca Gense
Drehbuch:Roman Wegera
Kamera:Chanatal Bergemann
Schnitt:Sophia von Gaffron; Roman Wegera
Musik:Paulina Marie Langer; Sidney Jaffe
Länge:27 Minuten
Produktion: Kunsthochschule für Medien Köln
FSK:12
Förderer:BKM

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der kurze Coming-of-Age-Film wählt einen Ausschnitt, und zwar den Endpunkt einer längeren Geschichte, die zu Beginn des neuen Jahrtausends angesiedelt ist. Anja, ihre Mutter Elena und ihr kleiner Bruder Maxim sind aus Russland nach Deutschland migriert. Warum der Vater nicht mitgekommen ist, wird nur angedeutet, vermutlich hat er sich etwas zuschulden kommen lassen, was ihn daran hindert, Russland zu verlassen. Elena hat sich angepasst und sorgt für ihre Kinder, indem sie in schlecht bezahlten Jobs arbeitet. Für Anja ist Deutschland nur eine Durchgangsstation, es zieht sie nach Amerika.

Von Anja erzählt der Film, von ihrer Unangepasstheit, die sich immer wieder in aggressivem Verhalten Bahn bricht, und von ihren Träumen. Amerika ist ihr Sehnsuchtsort, den sie allerdings nur aus Filmen wie PULP FICTION kennt, dessen Anfangssequenz sie zu Beginn des Films mit ihrem Bruder nachspielt. Es ist vor allem diese Prämisse vom Traum nach etwas Besserem, etwas nur medial vermitteltem, die den Film spannend und Anja zu einer gelungen ambivalenten Figur macht. Da ist ihr juvenil-delinquent-aggressives Verhalten (sie spielt gerne mit einem Klappmesser), aber auch die Zuneigung, die sie ihrem Bruder gegenüber zeigt. Und da ist die Begegnung mit einem anderen jungen Russen, demgegenüber sie am deutlichsten einen Panzer der aufgesetzten Widerstandsfähigkeit zur Schau trägt. Die durch die Kamera und die Montage sowie die karge Ausstattung erzeugte Atmosphäre transportiert sehr gut die Tristesse im Leben des fast erwachsenen Mädchens.

Anja verharrt in ihrer Weltanschauung letztlich nicht, sondern vollzieht eine Wandlung, auch wenn der Film offen lässt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Das offene Ende ist von daher gut gewählt, weil der Film ohnehin einen Ausschnitt aus einem Leben darstellt. Einem klassischen Verständnis des Coming-of-Age-Films, wonach die Figuren eine klar erkennbare Entwicklung vollziehen müssen, widersetzt sich der Film, ohne die Grenzen des Genres jedoch gänzlich zu sprengen. Als Hochschulabschlussfilm sah die Jury darin eine Leistung, die das Prädikat BESONDERS WERTVOLL verdient.