Was bleibt

FBW-Pressetext

Im Grunde ist es ja keine wilde Sache. Und andere machen es ja auch. Und so stehen Elaha und ihre zwei besten Freundinnen im Badezimmer und lesen sich die „Bedienungsanleitung“ des künstlichen Jungfernhäutchens durch, das sich Elaha noch vor der Hochzeitsnacht einführen muss. Denn nur als Jungfrau kann sie sich ihrem Ehemann wirklich als „würdig“ erweisen. Doch Elaha kann einfach nicht. Weil es diesen altertümlichen Brauch ja nicht bedarf, um eine Kultur zu bewahren, und irgendwie ist es doch fragwürdig, heutzutage noch eine solche Lüge aufrechtzuerhalten. Oder ist es doch einfach Teil einer Tradition, die man befolgen muss? Die Filmemacherinnen Chiara Fleischhacker und Milena Aboyan haben mit WAS BLEIBT einen Kurzspielfilm gedreht, der einen immens wichtigen Beitrag zu einer ebenso wichtigen Diskussion leisten kann. Denn die Misere junger Frauen, die den patriarchalischen Strukturen unterliegen und den inneren Konflikt zwischen Tradition und Moderne jeden Tag erleben, wird hier auf ungezwungene Art vermittelt. Die Schauspielerinnen spielen sehr natürlich und auch die Dialoge wirken nicht geschrieben. Der beengte Handlungsort des Badezimmers und die immer wieder eingesetzten Rufe von der anderen Seite der Tür dienen dazu, Elahas Dilemma zu verdeutlichen. Ganz ohne erhobenen Zeigefinger und moralische Ausrufezeichen macht WAS BLEIBT den Konflikt seiner Hauptfigur deutlich und bietet damit den Raum, eine lang überfällige Diskussion in Gang zu bringen. Ganz starkes Kurzfilmkino.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Chiara Fleischhacker
Darsteller:Soma Pysall; Suri Abbassi; Leyla Dastan
Drehbuch:Milena Aboyan
Kamera:Pierre Castillo Bernad
Schnitt:Kaspar Zoth
Musik:Meike Katrin Stein
Länge:8 Minuten
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, ARTE; SWR; La Fémis;

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wenn in einem Film eine einzige Situation so wahrhaftig, intensiv und komplex inszeniert wird wie es Milena Aboyan in WAS BLEIBT gelungen ist, dann öffnet sich in wenigen Minuten eine ganz eigene Welt mit ihren Widersprüchen, Gefahren, Stimmungen und Konventionen. Wie unter einem Brennspiegel wird hier davon erzählt, wie junge muslimische Frauen in ihrer noch weitgehend von ihren konservativen Werten bestimmten Gesellschaft versuchen, sich selber Freiräume zu schaffen. So ist die Toilette ein belagertes Refugium, in dem die frischverheiratete Braut Elaha mit ihren beiden Freundinnen für kurze Zeit ungestört sein können. Mit einem künstlichen Jungfernhäutchen können die Erwartungen aller erfüllt werden, aber Elaha möchte ihre Ehe nicht mit einer Lüge beginnen. In Echtzeit und sehr naturalistisch wird diese Szene gestaltet. Die drei Darstellerinnen wirken absolut glaubwürdig und natürlich. Da gibt es nicht einen falschen Ton. Die intime Szene ist nie voyeuristisch und die Dialoge sind so gut geschrieben und gesprochen, dass sie eher dokumentiert als inszeniert wirken. Und der Film ist wichtig, denn er zeigt auf, in welchen Zwiespalt die Bigotterie einer Gesellschaft ihre Jugend stürzen kann. Möglichst viele junge muslimische Frauen, aber auch Männer sollten WAS BLEIBT sehen können, denn hier wird ein Tabu gebrochen und so eine Chance auf Veränderung geboten.