Walter Kaufmann - Welch ein Leben!
FBW-Pressetext
Romanautor, Korrespondent und Aktivist: Der in Berlin geborene jüdische Schriftsteller Walter Kaufmann war ein Mann, der mit seinen Worten die Welt begreifen und beschreiben wollte – und dazu auch bereisen. Seine Biografie führte ihn auf alle Kontinente und in unzählige Länder. In Co-Regie portraitieren Karin Kaper und Dirk Szuszies das außergewöhnliche Leben dieses außergewöhnlichen Mannes, indem sie mit ihm gemeinsam eine Bilderreise in seine Erinnerung unternehmen. Dank einer immensen Rechercheleistung und den ehrlich offenen Worten von Walter Kaufmann selbst entsteht ein lebhaftes und intensives Mosaik des Lebens eines wahrhaftigen Weltenbürgers, der sich, egal wohin ihn sein Weg führte, auch immer aktiv für Gerechtigkeit in der Gesellschaft einsetzte. Walter Kaufmann verstarb im Alter von 97 Jahren im April 2021. Damit endete ein Leben, dem dieser Dokumentarfilm in seiner Fülle an sorgfältig aufbereiteten Informationen ein ehrenvolles Denkmal setzt.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm |
---|---|
Regie: | Karin Kaper; Dirk Szuszies |
Kamera: | Dirk Szuszies; Tobias Rahm |
Schnitt: | Tobias Rahm; Dirk Szuszies |
Musik: | Patrick Grant |
Länge: | 99 Minuten |
Kinostart: | 30.09.2021 |
Verleih: | Karin Kaper Film |
Produktion: | Karin Kaper Film Karin Kaper |
FSK: | 12 |
Förderer: | FFA; BKM |
Jury-Begründung
Der Titel sagt es bereits: Welch ein Leben! Die Jury ist voller Spannung dem außergewöhnlichen Leben einer faszinierenden, schillernden Persönlichkeit gefolgt, welches die beiden Berliner Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies mit ihrem Dokumentarfilm über Walter Kaufmann vor uns ausgebreitet haben.Walter Kaufmann wurde als unehelicher Sohn Jizchak der polnischen Jüdin Rachela Schmeidler am 19.Januar 1924 in Berlin geboren. Seine Mutter gab ihn im Alter von drei Jahren zur Adoption frei. Er wurde von dem Duisburger jüdischen Anwalt Sally Kaufmann und dessen Frau Johanna adoptiert. Als Walter Kaufmann wuchs er liebevoll von seinen Eltern umsorgt in Duisburg auf und ging dort auf das Gymnasium. Am Tag seines 15.Geburtstages 1939 konnten sie ihn mit dem letzten Transport jüdischer Kinder aus dem Deutschen Reich über die Niederlande nach Großbritannien zu einem Verwandten bringen lassen. Nach Kriegsausbruch wurde Walter als „feindlicher Ausländer“ interniert und anschließend mit hunderten Mithäftlingen per Schiff nach Australien gebracht, wo er noch zwei Jahre in einem Internierungslager verbringen musste. Er erreichte seine endgültige Entlassung aus der Internierung dadurch, dass er sich freiwillig vier Jahre zum Dienst in der Australischen Armee verpflichtete. Nach der Entlassung aus der Armee erwarb er die australische Staatsbürgerschaft und blieb in Australien. Er arbeitete als Obstpflücker, Landarbeiter, Hafenarbeiter, Seemann und Fotograf. Durch Kontakt zur „Melbourne Realist Writers Group“, einer Organisation, die von der Kommunistischen Partei Australiens (CPA) unterstützt wurde, begann er 1949 mit der Abfassung seines ersten Romans „Stimmen im Sturm“, der 1953 in Melbourne erschien. Er verarbeitete darin seine Vergangenheit im nationalsozialistischen Deutschland. Vierzehn Jahre nach seiner Flucht besuchte Walter Kaufmann 1953 das erste Mal wieder Duisburg. Die beklemmenden Erfahrungen während dieses Besuchs, bei dem er erstmals von seiner Adoption erfuhr und vergeblich nach den Spuren seiner leiblichen Mutter suchte, veranlassten ihn, noch einmal zurück nach Australien zu gehen. Als Delegierter der „Union der Seemänner Australiens“ nahm er 1955 an den Weltjugendfestspielen in Warschau teil. Anschließend besuchte er die DDR und die Sowjetunion. 1957 übersiedelte er von Australien nach Ost-Berlin, behielt jedoch die australische Staatsbürgerschaft. Er war erneut als Seemann tätig und reiste auf Schiffen der DDR-Handelsmarine nach Südamerika und Kuba. Diese Erfahrungen verarbeitete er als Journalist und Schriftsteller in zahlreichen Reportagen und Büchern. Reisen nach Israel und Japan folgten. Von 1985 bis 1993 war Kaufmann Generalsekretär des ostdeutschen PEN-Zentrums. Zeit seines reichen Lebens war er ein Verfechter der Verfolgten, der Außenseiter der Gesellschaft und auch seiner jüdischen Religion.
Wie gelingt es dem Film, dem Zuschauer dieses außergewöhnliche Leben zu vermitteln? Chronologisch bieten uns zeitgenau historische Filmdokumente den Hintergrund zum fast hundertjährigen Leben Kaufmanns und ermöglichen dadurch die präzise geschichtliche Einordung. Wo vorhanden bekommen wir parallel dazu private Bilder und Filmaufnahmen.
Diese werden ergänzt durch Texte aus Kaufmanns Schriften im Off, die seine Gedanken und seine „erlebte Geschichte“ beschreiben. Texte, die teilweise auch sehr poetischen und philosophischen Charakter besitzen, verstärkt durch atmosphärisch schöne Bildkompositionen, die einen perfekten inhaltlichen Kontext besitzen. Dazu kommen Interviews mit Walter Kaufmann, der auch noch im Alter eines 97-Jährigen sich als „Herr der Worte“ auszeichnet.
Ein großes Lob verdienen die Filmemacher für die sicher überaus aufwendige Recherche zum Archivmaterial unterschiedlichster Art, was Filme, Fotos, Bücher und Schriften anbelangt. Ein Lob, das sich aber auch auf die gelungene Auswahl des Archivmaterials erweitern lässt. Durch die herausragende Montagearbeit wurde dies alles in diesem außergewöhnlichen Lebensbericht zu einer Einheit geformt – vielschichtig, vielseitig, spannend und der These von Gysi entsprechend: „Ein Leben, das es so nicht mehr gibt“.