Untitled Sequence of Gaps

Filmplakat: Untitled Sequence of Gaps

FBW-Pressetext

Nur weil man etwas nicht sieht, ist es doch trotzdem da, oder? Immerhin gilt diese Wahrheit für das Farbenspektrum. Wir können Ultraviolett nicht sehen – und dennoch existiert es. Und andere Lebewesen können es sehr wohl wahrnehmen. Aber bedeutet das auch, dass Teile von uns gesehen werden, von denen wir glauben, dass es sie gar nicht gibt? Oder existieren wir gar nicht, wenn man uns nicht sieht? In ihrem neuen experimentellen Film begibt sich die Filmemacherin Vika Kirchenbauer auf die Spuren genau dieser Fragen und Überlegungen. Sie nutzt die Farben als Metaphern, als Verdeutlichung ihrer Gedankenspiele und setzt geschickt verschiedene Bildassoziationen in Bezug zu ihren von ihr selbst eingesprochenen Worten. In langsamem Rhythmus sind die Bilder aneinander montiert, als Betrachter*in erhält man auf diese Weise genug Raum, um in Ton und Bild zu schwelgen und die „Sequenz an Lücken“ mit eigenen Gedankenbildern zu füllen. Das ist faszinierendes Kurzfilmkino für alle Sinne.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Vika Kirchenbauer
Drehbuch:Vika Kirchenbauer
Kamera:Vika Kirchenbauer; Rita Macedo
Schnitt:Vika Kirchenbauer
Musik:Cool For You
Länge:12 Minuten
Verleih:Arsenal experimental
Produktion: Vika Kirchenbauer
FSK:12
Förderer:BKM

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Vika Kirchenbauer gelingt in UNTITLED SEQUENCE OF GAPS ein wunderbar anregendes Essay in Bild und Ton über die Themen Erinnerung, Kindheit, Identität und Trauma. Von harten Schnitten getrennt, montiert sie Filmszenen ganz unterschiedlicher Herkunft: Found Footage, das auch aus ihrem eigenen Familienarchiv stammen könnte, experimentell gestaltete Aufnahmen, die auf verschiedene Weise verfremdet einen Frauenkörper zeigen, mal sitzend, mal liegend, und die wiederkehrende Aufnahme einer Mikrowelle, in der Popcorn bereitet wird.

Die Mikrowelle spielt auch im Text eine Rolle, der unter anderem thematisiert, dass die Mikrowelle ein Haushaltsgerät war, das speziell Männer dazu ermutigte, mehr in der Küche zu machen, weil sie nun keine Angst mehr haben müssten dabei "schwul" zu wirken. Es ist eine der wenigen Stellen, an denen der Text ganz direkt auf das gezeigte Bild eingeht.

Meist mäandern die englisch ausgesprochenen Überlegungen assoziativ über das visuell Dargestellte hinweg. So sieht man etwa die rituelle Strohhexenverbrennung, von der die Autorin aus dem Off erzählt, aber man sieht nicht die lesbische Tante, um die es dabei auch geht. Auf sehr diskrete Weise handelt der Film von einem Coming-out, beziehungsweise dem, was zuvorkommt: der Schwierigkeit aufzuwachsen in einer Umgebung, die einen ausgrenzen möchte; die Erinnerung an Anpassungsversuche und Fremdheitserlebnisse. Die Kindheit sei vor allem eine Fantasie für Erwachsene, kein Stadium, das man als solches tatsächlich lebt, heißt es an einer Stelle. Das Nachdenken darüber, wie man wahrnimmt und wie man wahrgenommen wird, bildet eine Art roter Faden im zwölfminütigen Kurzfilm, der auf fesselnde Weise tiefsinnige Gedanken mit banalen Beobachtungen verdichtet und dabei doch sehr klar strukturiert wirkt. UNTITLED SERIES OF GAPS gelingt es, auf produktive Weise zu irritieren: Man möchte am Ende mehr wissen über die Fragen von Identität und Wahrnehmung, die der Film aufwirft. Mit der spannenden formalen Gestaltung weitet Kirchenbauer die im sehr persönlichen Text ausgesprochenen Überlegungen zu einem Videokunstwerk, das sowohl die Sinne als auch den Intellekt anspricht.