Unter der Sonne

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Hochsommer 1984, die Sonne brennt vom Himmel und bleierne Schwere liegt über allem. Der 12jährige Viktor wird übers Wochenende bei seiner Tante abgegeben, damit die Eltern in Ruhe verreisen können. Aber was bringt die Welt dieses Jungen wirklich zum Flimmern? Ist es nur die hochsommerliche Hitze oder doch die sexuelle Ausstrahlung seiner Cousine?

Was leicht in eine weitere Lolita-Story hätte abrutschen können, ist eine unglaublich detailsichere Moment-Aufnahme aus dem Leben dieses Jungen geworden. Die hohe Detail-Verliebtheit in der Ausstattung, der Musik-Auswahl und Dialog-Sequenzen lässt den Zuschauer teilhaben an der sprachlosen Verwirrtheit des Jungen.

Zu gerne möchte er teilnehmen am Leben seiner Cousine, möchte Teil ihrer Clique sein. Dabei entspricht seine sprachlose Naivität im Freibad auch der Naivität seiner Handlungen, wenn er alleine durch den Wald nach Hause läuft und aus kindlicher Langeweile einen Unfall erzeugt. Auch der vielfältige Einsatz des Hundes zur Inszenierung unterschiedlicher Ängste und seelischer Nöte ist Beleg für die ausgefeilte Dramaturgie und Regie-Arbeit.

Die Ausdruckskraft des Jungen, die in seiner permanenten Sprachlosigkeit liegt, ist erstaunlich. Und dankenswerter Weise wird die sexuelle Anziehung seiner Cousine ohne die üblichen Lolita-Filmklischees in Szene gesetzt. Dieser Film ist eine Fall- und Charakterstudie von höchster Suggestiv- und Überzeugungskraft, wie es sie nur ganz selten zu sehen gibt.