Un état d'urgence – Ein Ausnahmezustand

Filmplakat: Un état d'urgence – Ein Ausnahmezustand

FBW-Pressetext

Was machen Terroranschläge mit uns? Wie beeinflussen sie auch nachhaltig unser Leben? Das zeigt der Film EIN AUSNAHMEZUSTAND. Als zwei Soldaten, die ein Gebäude in Paris bewachen, in ihrer Nähe einen herrenlosen Koffer bemerken, werden plötzlich alle Passanten suspekt, der Stresslevel steigt und wir Zuschauer müssen das Schlimmste befürchten. Schauspielerisch wird die Situation der Angst und der drohenden Eskalation differenziert und erstklassig geschildert. Filmisch hervorragend geschnitten und mit wenigen Mitteln auf den Punkt gebracht. Regisseur Tarek Röhlinger hat gemeinsam mit Andrej Sorin das Drehbuch verfasst zu diesem eindrucksvollen Kurzfilm, der im Rahmen eines Austauschprogrammes der Ludwigsburger Filmakademie und der Pariser Hochschule La Femis entstanden ist. Ein hervorragender Beitrag zu einem hochaktuellen Thema. Ein Film, der im Zuschauer selber nachhaltig wirkt und von der FBW-Jury einstimmig mit dem höchsten Prädikat besonders wertvoll ausgezeichnet wird.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Tarek Roehlinger
Darsteller:Moussa Sylla; Rémy Ferreira; Julien Courbey; Ridwane Bellawell
Drehbuch:Andrej Sorin; Tarek Roehlinger
Kamera:Rafael Starman
Schnitt:Moritz Poth
Musik:Nicolai Krepart
Länge:12 Minuten
Verleih:Filmakademie Baden-Württemberg
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, La Fémis;
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Dieser künstlerisch und inhaltlich überzeugende Film entstand selbst während eines Ausnahmezustands. Monatelang hatte Tarek Röhlinger, Student der Filmhochschule in Ludwigsburg, im Jahre 2015 um Drehgenehmigungen im öffentlichen Raum von Paris gekämpft, die die Behörden nach den Anschlägen auf das Satiremagazin Charlie Hebdo nur ungern erteilten. Als er das ersehnte Dokument endlich in den Händen hielt, erschütterten am Abend des 13. November die Anschläge auf das Bataclan, Pariser Cafés und das Nationalstadion die Öffentlichkeit. In der Stadt wurde erneut der Ausnahmezustand verhängt, den Tarek Röhlinger in seinem Projekt thematisieren wollte.
Und dies ist ihm eindrucksvoll gelungen, was nicht nur die Teilnahme an über 40 Festivals beweist. Der junge Regisseur versetzt den Zuschauer mit einfachen, aber überaus wirksamen filmischen Mitteln in eine Welt, in der die Bedrohung trotz aller öffentlichen Bekundungen, das Leben gehe weiter und die Pariser ließen sich nicht von den Terroristen unterkriegen, sinnlich erfahrbar ist.
Die Geschichte ist relativ simpel und kann sich jederzeit an jedem Ort wiederholen. Gerade deshalb geht sie unter die Haut. Zwei Soldaten, bis an die Zähne bewaffnet, bewachen eine Straße. An einer Ecke entdecken sie einen herrenlosen Koffer. Jeder wird plötzlich zum Verdächtigen, ein geöffnetes Fenster löst Gefühle der Angst aus.
Das Bombenentschärfungskommando lässt auf sich warten, die Augen der jungen Soldaten spiegeln ihre Furcht wieder. Als eine Gruppe Jugendlicher, die kein Französisch verstehen, die Absperrung durchbrechen will, droht die Situation zu eskalieren. Und während die Soldaten noch mit den Gleichaltrigen diskutieren, taucht ein Obdachloser auf, der den Koffer plötzlich in der Hand hält. Er verteidigt ihn mit einem Loblied auf die Freiheit.
Das Ende bleibt offen. Der spannende Film schildert eine Situation, die jeder kennt. Herrenlose Gepäckstücke werden plötzlich zur Bedrohung. Auch die Nerven der beiden Soldaten sind nach dem Fund zum Zerreißen gespannt, was an den Reaktionen der beiden Schauspieler ablesbar ist. Die Überforderung und Angst der Uniformierten machen sie jederzeit transparent.
Zudem spielt der Regisseur geschickt mit unseren Erwartungen und Vorurteilen. Jeder Mensch mit dunklen Augen und dunklerer Hautfarbe wirkt plötzlich verdächtigt, vor allem, wenn er sich den beiden Soldaten von hinten nähert.
Auch die kluge Kameraführung trägt dazu bei, den Film zu einem kleinen Meisterwerk über die schleichenden Veränderungen in der Psyche der Menschen der westlichen Welt angesichts der Angst vor dem Terror zu machen.