Trübes Wasser

Filmplakat: Trübes Wasser

FBW-Pressetext

Es fängt schon morgens unter der Dusche an. Dieses Gefühl am Körper, als ob alles austrocknet. Als ob das Wasser, in dem sie duscht, in dem sie ihr Geschirr abwäscht, das sie trinkt, irgendwie verunreinigt ist. Und ihre Haut, die sich immer mehr so anfühlt wie die Rinde eines Baumes, die vor Trockenheit aufspringt. Das ist ein Gefühl, von dem sie nichts und niemand ablenken kann. Auch nicht er, der sich so liebevoll um sie bemüht. Auch nicht der Blick nach draußen, auch nicht die Bilder aus dem Fernseher. Dort sieht sie eine Krake, die langsam über den Meeresboden wandert. Und von der sie nachts träumt, sie würde sie langsam umkreisen und verschlingen. Der Kurzanimationsfilm von Elena Wiener benötigt nur knappe 10 Minuten, um eindrucksvoll von seinem Thema zu erzählen: Was, wenn dein Körper dich langsam auffrisst? Wenn eine Krankheit dich langsam zerstört und der Gedanke an dein Leiden den ganzen Alltag überdeckt? Die Animationen sind in ihrer Ausführung zwar reduziert, doch Wiener hat ein genaues Gespür für das Erschaffen von Gefühlsbildern, die beim Betrachtenden individuelle Assoziationen hervorrufen und gleichzeitig eine allgemeine Stimmung erzeugen. Neben Schwarz und Weiß ist Rot die einzige dominante Farbe, die Wiener gezielt einsetzt, um Druck, Niedergeschlagenheit oder Unwohlsein zu symbolisieren. TRÜBES WASSER ist ein perfektes Beispiel für Animation, der es gelingt, mit künstlerischer Ausdruckskraft das Unerklärbare in Bildern sichtbar zu machen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Elena Wiener
Drehbuch:Elena Wiener
Kamera:Elena Wiener
Schnitt:Elena Wiener
Musik:Lucas Voss
Länge:9 Minuten
Produktion: Elena Wiener

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein seelischer Schmerz hat sich einer Frau bemächtigt. Worunter sie genau leidet, bleibt im Verborgenen. Ihre Haut hat die Kontur steiniger Grautöne, als sei Flüssigkeit aus dem Körper gewichen wie Wasser aus einem ausgetrockneten See. Ist es die Natur, die ihr abhandengekommen ist? Die Blicke aus dem Fenster auf eine Landschaft, in der Vögel umher flattern, deutet dies an. Im Badezimmer und in der Küche der Wohnung fallen die stark akzentuierten Rottöne auf (Duschvorhang, Vorhang in der Küche). Flüssigkeit, die sie aus einer Espressokanne in eine Tasse gießt, ist ebenfalls rot verfärbt. Diese Farbe erweitert sich auf die sinnliche Wahrnehmung der Frau, wenn ihr Blick aus den Augen sich rötlich trübt. Verweist der Titel TRÜBES WASSER darauf, dass das Wasser als Lebenselixier der hier dargestellten Welt abhandenkommt? Ein Mann gesellt sich zu ihr, die Beziehung ist gespannt, er scheint ihr beistehen zu wollen, doch das seelische und physische Leid der Frau geht des Nachts in blanken Horror über. Der Vorhang am Fenster bekommt Augen, die zurückblicken. Und dann ist da noch der Oktopus, der als Realbild in einem Fernsehgerät ein weiteres Deutungsfeld eröffnet. Doch am Ende scheint sich ein Hoffnungsschimmer aufzutun.
TRÜBES WASSER ist ein in seiner surrealistischen Bilderwelt und assoziativen Montage erzähltes Rätsel, das einen bis zum Ende gefangen nimmt. Es könnte um die zerstörerische Kraft einer Krankheit gehen. Es könnte um das Verhältnis des Menschen zur Natur gehen, darum, was passiert, wenn wir es nicht schaffen im Einklang mit der Umwelt zu leben, wenn wir aus der Bahn geworfen werden. Der Film kann zudem für die kranke Psyche der Menschheit schlechthin stehen. Es ist eine düstere und von starken symbolischen Bildern geprägte Erzählung. Alle ästhetischen Mittel bis hin zur Musik sind von einem enormen Stilwillen geprägt.
Mit TRÜBES WASSER ist ein mitreißender und sehr dichter Kurzfilm gelungen, der exemplarisch zeigt, welche Möglichkeiten Animationsästhetiken bieten und ohne Einschränkung das Prädikat „besonders wertvoll“ verdient.