Filmplakat: Ties

FBW-Pressetext

Die Tochter verlässt das Zuhause. Die Eltern sind traurig, wollen das Kind nicht so richtig ziehen lassen. Die Tochter reißt sich los – und kann sich doch nicht richtig lösen. Denn als beim Abschied ein kleiner Teil von ihr „hängenbleibt“, entsteht dadurch eine Kettenreaktion, die fast das gesamte Zuhause zum Einsturz bringt. Für ihren Kurzanimationsfilm TIES hat die Filmemacherin Dina Velikovskaya eine wunderschöne bildliche Metapher gefunden, die sie mittels gekonnter Animation mit einem 3D-Stift auf die Leinwand bringt. Die Haptik der mit dem Stift gezeichneten Formen wird für den Zuschauer greifbar, wenn sie sich im Verlauf der Geschichte auflösen und in ihre Einzelteile zerfallen. Dieser stilistische Kniff geht jedoch immer einher mit der berührenden Geschichte, die vom Abnabelungsprozess zwischen Kinder und Eltern erzählt, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. In TIES nimmt die Filmemacherin das „Ablösen“ wörtlich und zeigt, was passiert, wenn man das Zuhause verlässt. Und es doch immer bei sich trägt, egal, wo man hingeht. Eine wunderschön erzählte und stimmungsvoll komponierte Allegorie.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Dina Velikovskaya
Drehbuch:Dina Velikovskaya
Musik:Artem Fadeev
Länge:7 Minuten
Produktion: smplfilms Florian Grolig, Dina Velikovskaya; Studio Pchela Moskau; Cine-Little Productions Köln;
FSK:0
Förderer:FFA

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die russisch-deutsche Filmemacherin Dina Velikovskaya erzählt in ihrer originellen 3D-Animation von unauflösbaren Familienbanden: Eine junge Frau verlässt ihr Elternhaus, um auf Weltreise zu gehen. Ein Abschiedsgeschenk des Vaters weist sie zurück. Unbemerkt bleibt sie an der Schaukel im Garten hängen. Wie ein Wollgewebe dekonstruiert sie daraufhin erst die Welt der Eltern, dann ihre eigene. Am Ziel angekommen, ermöglicht sie eine Rekonstruktion der aufgelösten Welt. Die Eltern und die Tochter sind draufhin glücklicher und sichtlich erlöst. Nun trägt die Tochter auch den Schal, den der Vater ihr eingangs schenken wollte.
Eine faszinierende Optik entsteht in TIES durch die Mischtechnik zwischen 3D-Gebilden und 2D-Animation. Durch die 3D-Stifttechnik evoziert der Film in Konstruktion und Dekonstruktion virtueller Welten eine medienphilosophische Dimension.
Inhaltlich vermittelt diese Technik, dass man sich nie ganz von seinem Ursprung löst, dass man seine Familienbande (‚ties’) auch ungewolltes mitnimmt, wenn man geht, selbst wenn man sein Leben neu erfinden muss. Indem die Tochter weggeht, tilgt sie zunächst die Spuren worunter die Zurückgebliebenen leiden, bis sie sich dessen bewusst wird. Die visuelle Metapher wird zwar vom Film radikal durchgehalten, erscheint allerdings nicht durchweg nachvollziehbar, auch wenn der Film die Jury insgesamt voll überzeugte. Dazu trug auch die ungewöhnlich prägnante Soundgestaltung bei, die manchmal mit großer Dominanz vorgeht, immer jedoch auch zusätzliche Materialität erzeugt, was die animierte Form umso eindrucksvoller unterstreicht.