Tides

Filmplakat: Tides

FBW-Pressetext

Atmosphärisch dichtes Sci-Fi-Drama über den Neuanfang der Welt.

Zwei Generationen, nachdem die Erde von den Menschen zerstört worden ist, reist die Astronautin Blake mit einer Kapsel vom Planeten Kepler 209 auf die Erde zurück. Sie soll überprüfen, ob ein Überleben dort wieder möglich ist. Doch was sie findet, fordert mehr von ihr als ihr Forscherwissen. Mit seinem zweiten Film unterstreicht Regisseur Tim Fehlbaum seine eindrucksvolle Handschrift als Genrekenner des dystopischen Erzählens.

Es sind eindrucksvoll entrückte Welten, die Tim Fehlbaum in seinen Filmen entwirft. Nach dem Debütfilm HELL (ebenfalls besonders wertvoll), in dem die Sonne alles Leben ausrottete, lässt der Regisseur in TIDES die Menschheit in ein neues Zeitalter starten. Die Ausgangsinformationen erläutert der Film in knappen Einführungstexten, bevor er die Zuschauer*innen dann in ein geheimnisvolles Endzeitszenario entlässt, das nicht alleine erkundet werden muss. Denn zusammen mit der Astronautin Blake, die von Nora Arnezeder als stoisch zupackende Heldin gespielt wird und die in einzelnen Rückblenden eine emotionale Backstory erhält, begibt man sich auf eine Reise in eine karge Küstenlandschaft zwischen Ebbe und Flut, die Fehlbaum und sein Team in großen apokalyptischen Bildern inszenieren (Kamera: Markus Förderer). Dass es der Menschheit letzten Endes gelungen ist, die Erde zu zerstören und nun unter Mühen alles wieder aufgebaut werden muss, ist eine Gesellschaftskritik, die den Film zu einem klugen und dystopischen Sci-Fi-Drama macht, in dem man mit Spannung – auch unterstützt von dem großartigen Score von Lorenz Dangel - auf den finalen Showdown zusteuert.

Filminfos

Gattung:Science-Fiction; Spielfilm
Regie:Tim Fehlbaum
Darsteller:Nora Arnezeder; Iain Glen; Sarah-Sofie Boussnina; Sope Dirisu; Joel Basman; Sebastian Roché
Drehbuch:Tim Fehlbaum; Mariko Minoguchi
Kamera:Markus Förderer
Schnitt:Andreas Menn
Musik:Lorenz Dangel
Webseite:constantin-film.de;
Länge:104 Minuten
Kinostart:26.08.2021
Verleih:Constantin Film Verleih GmbH
Produktion: BerghausWöbke Filmproduktion GmbH, Vega Film; Constantin Film Produktion; Studio Babelsberg; SRF Schweizer Radio und Fernsehen / SRG SSR;
FSK:12
Förderer:FFA; BKM; MBB; FFF Bayern; DFFF; FFHSH; Filmstiftung Zürich

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Tim Fehlbaums TIDES lässt den Zuschauer in der ersten Szene zusammen mit seiner Heldin auf einer Erde landen, die einerseits noch gut als solche erkennbar und andererseits zur Unkenntlichkeit zerstört ist. Schon in der Eingangsszene gelingt ihm damit bravourös, eine glaubhafte Welt zu etablieren – die große Schwierigkeit, vor die sich jeder Science-Fiction-Film gestellt sieht. Man begreift auch ohne viel Exposition, dass sich das Klima auf der Erde so entscheidend gewandelt hat, dass die verbleibenden Menschen zu "Muds", im Schlamm bzw. Wattenmeer lebende, sich gegenseitig barbarisch bekriegende Stämme, wurden. Die Heldin Louise Blake dagegen gehört zu den Nachfahren einer Gruppe, die offenbar rechtzeitig Zuflucht auf einem anderen Planeten finden konnte, wenn auch mit dem Manko, dass sie ihre Fruchtbarkeit eingebüßt hat. Blake, von Nora Arnezeder charismatisch als taffe Actionheldin verkörpert, ist die Vorhut einer geplanten Neukolonisierung der Erde, wobei die Wiedererlangung der Fruchtbarkeit im Zentrum steht.

Mit außerordentlich starken, hochatmosphärischen Bildern überzeugte der Film die Jury von Beginn an: Nebelschwaden, die immer nur partiell die Sicht frei geben auf letzte Hinterlassenschaften der Zivilisation wie Schiffsteile, rostige Container und rissige Planen. Eine Welt, aus Müll und Schrott zusammengeflickt und zusammengeschraubt, dazwischen wie drohende Riesen aufragende Volumen von alten Schiffen, die von der Ausbeutung des Planeten künden – immer wieder gelingen dem Film außerordentlich gute Oppositionen. Am Anfang noch mit viel Mut zu einer fragmentarischen Erzählweise, die den Zuschauer auf angenehme Weise rätseln lässt über den Fortgang des Plots und sein zentrales Mysterium, wird der Film zum Ende hin wieder konventioneller, wenn er seine Figurenkonstellation entlang von im Genre schon öfter gesehenen Vater-Tochter-Konflikten entwickelt. Dem starken Eindruck, den TIDES als dystopischer Weltenentwurf hinterlässt, tat dies laut Meinung der Jury jedoch keinen Abbruch. Selbst wenn die Dialoge weniger aussagekräftig und zu Formeln reduziert erschienen, sind es immer noch die Bilder, denen man glauben und in cinephiler Weise vertrauen kann.

Das ausstrahlungsstarke Schauspiel und das herausragende Production Design werden ergänzt von einer dynamisch beweglichen Kameraführung, die der Verunsicherung der Heldin in einer ihr fremden Umgebung formal bestens gerecht wird. Tim Fehlbaum ist nach HELL ein weiteres rares Stück deutschen Genrekinos gelungen.