The Sunset Special 2

Filmplakat: The Sunset Special 2

FBW-Pressetext

Die Zeiten, in denen sich die touristische Besiedelung der Weltmeere auf das „Love Boat“ und das „Traumschiff“ beschränkten, sind vorbei. Kreuzfahrten sind schon lange nichts Besonderes mehr. Und doch will sich jeder, der eine solche bucht, besonders fühlen. So auch Paar 1 und Paar 2. Beide haben Kinder – die aber ja eigentlich bei einer solchen Reise nur stören -, beide finden alles hier auf dem Schiff einfach „awesome“. Und so begeben sie sich in den formelhaften Kreislauf des Wellentourismus. Nicht ohne natürlich alles für die Nachwelt über Social Media festzuhalten, wie es sich gehört. Drei Jahre nach dem ersten Teil kehrt der Filmemacher Nicolas Gebbe mit THE SUNSET SPECIAL 2 zurück, um einen weiteren ironischen Blick auf die Formelhaftigkeit von Social Media und Luxustourismus zu werfen. Die „Protagonisten“ des Films sind erneut NPCs, die aus einem Simulations-Computerspiel entliehen sein könnten. Die Bilder selbst wirken in ihrer starken Verpixelung und Ruckeligkeit wie ein Ausflug in die frühen Jahre der Computerkunst. Als Kontrast setzt Gebbe die Social-Media-Screenshots dagegen, die auf den ersten Blick zwar ebenfalls „awesome“ wirken, aber dann doch wieder so gleichförmig in ihren sich wiederholenden Motiven wirken, dass sie sich im Grunde selbst bloßstellen. Mit SUNSET SPECIAL 2 ist Gebbe erneut ein klug ironischer Kommentar auf unsere Zeit gelungen, in der nur das als erlebt zählt, was man auch im Internet zeigen kann.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Nicolas Gebbe
Drehbuch:Nicolas Gebbe,
Schnitt:Nicolas Gebbe,
Musik:Nicolas Gebbe
Länge:18 Minuten
Verleih:Nicolas Gebbe
Produktion: Nicolas Gebbe
Förderer:HessenFilm und Medien

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Nicolas Gebbes animierter Experimentalfilm ist eine böse und hochaktuelle Satire auf Luxuskreuzfahrten, die paradigmatisch für Formen eines schrankenlosen Konsums des globalen Nordens stehen. Diesen Horror der Gleichgültigkeit gegenüber dem Zustand der Ozeane und Meere weltweit versucht der Film durch eine Animationsästhetik einzufangen, die aus einer früheren Zeit der Computerästhetik stammt und an die Anfänge der virtuellen Welt von Second Life (seit 2003) erinnert. Diese Ästhetik und nicht den täuschend echten Fotorealismus heutiger Videospiele für die Animation zu verwenden, erweist sich als geeigneter Verfremdungseffekt.

Denn erst mit dieser Ästhetik wird die Absurdität des Geschehens transparent, der Austausch von sprachlichen Banalitäten, die Menschenmassen, die auf das Schiff strömen, die Beschwerden über das unangemessene Buffet, denn man hat sich doch dumm und dämlich für diesen Luxus bezahlt, da will man auch etwas haben für sein Geld. Es sind Zombies der Konsum-Apokalypse und diese Endzeit-Waterworld wird in einer Ästhetik präsentiert, die überholt ist. Zugleich kann sie aber so interpretiert werden, dass sie den Zerfall der digitalen Welt symbolisiert, die die Kommerzialisierung des Tourismus in Form des digitalen Kapitalismus wesentlich vorangetrieben hat. Andererseits kann die Ästhetik auch als Unvollkommenheit, als Durchscheinen des Nicht-Perfekten und damit als Rest von Authentizität gedeutet werden.

Es ist möglich, die Länge des Films zu monieren, andererseits dauert eine Folge der TV-Reihe "Das Traumschiff" auch deutlich über eine Stunde. Will man die Belanglosigkeit der zwischenmenschlichen Verwicklungen einer Reise mit dem Traumschiff aufgreifen, was in THE SUNSET SPECIAL 2 durchaus passiert, so macht es Sinn, die brutale Dehnung der Zeit mit Banalitäten bewusst zu machen. Und das gelingt dem Film mit viel Ironie und bissigem Humor. Was THE SUNSET SPECIAL 2 gekonnt zum Ausdruck bringt, wurde in der Jury-Diskussion mit dem Titel des berühmten Essays von Neil Postman aus dem Jahre 1992 gefasst. Mit "Wir amüsieren uns zu Tode" bezog er sich bekanntlich nicht auf Kreuzfahrten, sondern auf das Fernsehen. Es passt aber auch heute noch, sowohl auf Kreuzfahrten als auch auf deren Darstellung im TV. Nicolas Gebbes Animationsfilm reflektiert gekonnt diese Bilderwelt des suizidalen Amüsements der Menschheit.

Nach einer lebhaften Diskussion entschied sich die Jury für das Prädikat besonders wertvoll.