Filmplakat: The Straw that Broke

FBW-Pressetext

Die faszinierende filmische Mischung aus Sci-Fi und Experimentalfilm ist wie ein Trip durch eine dystopische Welt der Zukunft.

Claudia Weiss erhält von ihrer Verlegerin eine schier unlösbare Aufgabe: In nur 31 Stunden soll sie fünf Romane schreiben. Das ist unmöglich. Dennoch versucht Claudia es. Und findet sich mehr und mehr im Zentrum ihrer eigenen Erzählung, die sie in die Weiten des Multiversums führt. Auf der Suche nach einem gefährlichen Virus, das Lebewesen und Dinge in ihrem ontologischen Kern zu zerstören droht. Mit einer Unmenge an kreativen und außergewöhnlichen Ideen ist THE STRAW THAT BROKE eine gelungen Mischung aus Sci-Fi und experimentellen Filmideen.

In seinem eigenwilligen Look erinnert die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thom Walen (der auch das Drehbuch schrieb) in der Regie von Valentin Hennig an gleichzeitig kultige und trashige Super-8-Filme, die einen dazu einladen, in die fragmentierten Alptraumwelten einzutauchen. Die identitätsstiftende Protagonistin ist hier Claudia Weiss, die Claudia Gallatz als manisch-verzweifelte und von ihrer eigenen Kreation besessene Autorin spielt, die sich in den Weiten ihrer fantastischen Welt fast verliert. Immer an ihrer Seite: eine faszinierende digitale Maus-Kreatur (gesprochen von dem bekannten Synchronsprecher Santiago Ziesmer), die der Geschichte noch eine weitere surreale Ebene verleiht. Doch obwohl es sich bei THE STRAW THAT BROKE um einen experimentellen Film handelt, der eine klassische Erzählstruktur verweigert, behandelt der Film in seinem Kern doch so essentielle Themen wie die Identität des Menschen, den Wert der Kreativität sowie die Gefahr der Cybertechnik, von dessen Allmacht wir heutzutage schon überfordert und überwältigt sind. Und auch emotional kann man einen Zugang zu dieser Geschichte finden, die fast scheint wie ein geführter filmischer Traum. In den es lohnt, sich fallen zu lassen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Aus einem unterkühlt-futuristischen Business-Setting heraus erteilt eine dazu passende Redakteurin der chronisch unterbezahlten Autorin Claudia den Auftrag, innerhalb von 36 Stunden fünf Bände ihrer ScFi-Groschenromane zu schreiben. Dabei hat sie doch nur drei Ports zur Verfügung… Damit beginnt eine jede Alltags-Erfahrung überschreitender Trip aus ihrem 1-Zimmer-Refugium hinaus in diverse Welten, bei denen bald die Frage aufkommt, wie real oder virtuell diese für die eigentliche Filmhandlung wohl sein mögen. Vielleicht, so die Annahme der Jury, erzählt sie ihre Reise auch eher als eine fragmentierte Albtraumwelt.

Unterwegs diskutiert Claudia diverse metaphysische Fragen. Sowohl mit ihrem Ex-Freund als auch mit weiteren Figuren aus ihren Erzählwelten. Diese sind mal feindlich gesinnt, mal unterstützend. Als Konstante lässt sich wahrnehmen, dass die Technik, die Digitalisierung alle Bereiche des Lebens im gesamten ‚Multiversum‘ eingenommen hat, selbst bei der Nahrungsaufnahme. So erscheint auch Claudia als Teil-Android, zumindest ermöglichen ihre drei Ports eine übermenschliche Informationsaufnahme und -verarbeitung. Lediglich die Bedeutung des Geldes ist bezeichnenderweise das einzige Sujet aus einer heutigen Welt, das überlebt hat

Man sucht zunächst nicht nach erzählerischem Zusammenhang und ist fasziniert von einer cyber-technisierten Post-Welt, in der die Identität des Menschen und das Menschsein in Frage gestellt ist.

Das liegt auch an den überzeugenden trashigen Settings, die stets zugleich etwas Vertrautes und abweisend-Futuristisches vermitteln und noch eine Affinität zum Leben bezeugen, das sich eigentlich schon längst aus der Post-Welt zurückgezogen hat. Da man durch eine Art Traum geführt wird, wirken diese Welten weniger schroff.
Die Jury fühlt sich an Super8-Trashfilme der 50er und 60er Jahre oder an Stanislaw Lem erinnert, und auch wenn oder weil einzelne Szenen zum Teil wie aus dem Schmierentheater wirken, spürt man deutliche eine Indie-Film-Kraft und eine konzis-kohärente Filmsprache.

Aber der als Experimentalfilm etikettierte 70-Minüter (die Jury fragt sich, wo der Film am besten platziert werden kann) bietet über Claudias Reise dann doch zu sehr eine Erzählung an. Und durch diese gesetzte Reise-Struktur will man dann eben auch wissen: Was ist ihre Vision, was treibt sie an, außer der Vollendung der fünf Bände? Ist es die Rettung der Menschheit bzw. des Multiversums vor dem angesprochenen Virus, der O-Cloud? Jenen roten Faden wird man aber nur schwer entziffern, zu unübersichtlich bleiben die Stationen, Figuren, Gespräche. Das ist für die Jury bisweilen zermürbend, auf der anderen Seite verstärkt es den Eindruck des Verlorenseins von Claudia und nicht nur von ihr. Ihre Figur und ihre Suche strahlen unentwegt Verlust aus.

Die zum Teil sehr witzigen Ideen, beispielsweise um die kluge, sprechende Maus, die wohl ihren Geschichten entsprungen ist, der Einsatz von Stop-Motion und die oft interessanten Drehorte, dezent ergänzt um futuristische VFX-Welten, reihen sich aneinander, ohne eine sinnvolle oder chronologische Rezeption anzustreben.
Regisseur Valentin Hennig und Tom Whalen als Autor reflektieren die massive Veränderung unserer Gesellschaft auf eine zugleich zeitlose Art. So kann diese sehr eigenwillige Identitätsspurensuche in einer Post-Welt, die vielleicht nicht mehr zu retten ist, durchaus bestechen, wenn auch ein etwas zwiegespaltener Gesamteindruck bleibt.
In Abwägung aller Argumente und im Anschluss an eine sehr spannende Diskussion verleiht die FBW-Jury dem Film gerne das Prädikat WERTVOLL.