The Online Shop
FBW-Pressetext
Sie sitzt auf der Couch und beobachtet ihn aus den Augenwinkeln, während sie vorgibt, am Laptop zu arbeiten. Sie weiß, dass die gerade so ruhige und harmonische Stimmung jederzeit kippen kann. Sie achtet auf jedes zu laute Geräusch, was verraten könnte, wie ER sich gerade fühlt. Denn jede ‚Laune‘ von ihm hat Konsequenzen für sie und ihre Tochter. Also sucht sie nach einem Ausweg, nach Hilfe. Und vielleicht gibt es diese Hilfe ja. An einem Ort, den vor allem er nicht vermuten kann. In seinem Kurzspielfilm THE ONLINE SHOP behandelt der Filmemacher Carsten Woike das Thema Häusliche Gewalt und inszeniert es über weite Strecken des Films wie ein thrillerartiges Kammerspiel. Die Kamera wechselt in Nahaufnahmen in konstantem Rhythmus zwischen den Figuren, man spürt durch die kluge Montage und das präzise Spiel in jeder Minute eine greifbare Anspannung, die sich selbst nach dem überraschenden Schlusstwist nicht in Gänze auflöst. Genau dadurch erhält der Film eine authentische Bodenhaftung, die ihn nicht nur für Betroffene so nachvollziehbar macht. THE ONLINE SHOP ist ein wichtiger Film, der nicht nur das für so viele Menschen leider alltägliche Thema der häuslichen Gewalt behandelt, sondern darüber hinaus auch eine Möglichkeit aufzeigt, sich Hilfe zu suchen.Filminfos
Gattung: | Drama; Kurzfilm |
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Regie: | Carsten Woike |
Darsteller: | Michaela Schaffrath; Christoph Jacobi; Marie Florentine Kollmar |
Drehbuch: | Carsten Woike |
Kamera: | Indra Zilm |
Schnitt: | Carsten Woike |
Musik: | Eike Ebbel Groenewold |
Länge: | 11 Minuten |
Produktion: | Carsten Woike Film Carsten Woike |
Förderer: | Nordmedia |
Jury-Begründung
Völlig unabhängig vom „guten Zweck“ dieses Kurzfilms hat die Jury THE ONLINE SHOP in Bezug auf sein filmischen und dramaturgischen Qualitäten das Prädikat BESONDERS WERTVOLL zuerkannt: Das liegt am packenden und schlüssigen Zusammenspiel aller filmischen Aspekte. Meint man doch anfangs eine bürgerliche Idylle zu sehen (gutes Casting, gute Location) - Einfamilienhaus, das für Wohlstand spricht, eine lesende Teenietochter auf dem Sofa, die für das bildungsbürgerliche Milieu spricht, die Mutter am anderen Sofa mit dem Laptop, die Unabhängigkeit ausstrahlt, der Vater, der wohl als Lehrer noch schnell ein paar Korrekturen am Schreibtisch im Nebenzimmer vornimmt. Und dennoch schleichen sich für die Zuschauenden unterbewusst Element des Unbehagens ein, die man erst aus der Rückschau nach dem Film in sich entdeckt, was nach Ansicht der Jury für eine immense psychologische Raffinesse des Filmes spricht. War nicht alles zu aufgeräumt? Hatte der Vater nicht beim und nach dem Kaffeemachen an der Maschine nicht alles zu zwanghaft gewienert? Dieser Eindruck wird durch die geschickte Tonspur verstärkt, auf der manche Geräusche sanft überlaut gedreht sind, wenn der Vater agiert.Das alles steigert sich mit gutem Timing und subtil, aber wahrnehmbar, bis sich kurz vor Schluss sich die Indizien verdichten, dass man eigentlich von Anfang an einem mehr als realen Horror beiwohnte, der nach Ansicht der Jury gänzlich unbemüht und aus der Situation, aus der Atmosphäre heraus inszeniert wird. Und genau das ist ja das Ziel von THE ONLINE SHOP: Der Film sensibilisiert für das Thema Häusliche Gewalt – auch hinter scheinbar intakten Fassaden. So können die Zuschauenden erst rückwirkend Details, die beim ersten Blick „normal“ erschienen, richtig einordnen.
Der Jury ist bei alledem auch der Verzicht auf Effekthascherei bei gleichzeitig virtuosem Einsatz filmischer Effekte und Atmosphäre sehr angenehm aufgefallen, der die Wucht der Aussage erst möglich gemacht hat. Das alles hat zu einem einstimmigen Votum für das Prädikat BESONDERS WERTVOLL geführt.