The House is Burning

Kinostart: 16.11.06
2006
Filmplakat: The House is Burning

FBW-Pressetext

Zwei FBW-Prädikate für Kurzfilme waren diesem Spielfilm-Debüt vorausgegangen. Regisseur Holger Ernst wirft sich ohne jedes Zögern in ein unglaublich authentisches Milieu, zeigt mit erstaunlicher Wucht und schonungslosem Blick ein Kleinstadt-Amerika voll düsterer Realität. Im Erzähl-Rahmen eines Tages entsteht das Porträt einer ganzen Gruppe junger Menschen. Die großartigen Schauspielerleistungen und Musik und Sounddesign sind eine besondere Erwähnung wert.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama
Regie:Holger Ernst
Darsteller:John Diehl; Melissa Leo; Julianne Michelle
Drehbuch:Holger Ernst
Länge:97 Minuten
Kinostart:16.11.2006
Verleih:Reverse Angle Pictures
Produktion: Reverse Angle Production GmbH, Reverse Angle
FSK:16
Förderer:FFA; MBB

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Herausragendes Talent und beeindruckende Gestaltungskraft sind an diesem Film ablesbar, dem von der FBW-Jury mehrheitlich ein besonderer Wert attestiert wurde.

Mit erstaunlicher Wucht werden in diesem Debütfilm von Holger Ernst Einblicke in ein Kleinstadt-Milieu vermittelt, welche so gar nicht zu den gängigen Klischees der Weltmacht USA passen mögen. Anfangs sehen sich die Zuschauer mit Gewalt-Szenen konfrontiert, die rasant aufeinander folgen und zunächst irritieren. Erst allmählich lernt man die Figuren genauer kennen, bekommt ihre prekären Problemlagen drastisch vorgeführt und kann soziale Zusammenhänge überblicken. Eine unsentimentale Erzählweise, die auch nicht durch vordergründige pädagogische Intentionen beeinträchtigt wird, ermöglicht beinahe ethnologische Beobachtungen.

Es gibt nicht nur einen, sondern gleich mehrere Protagonisten. Die darstellerischen Leistungen von Joe Petrilla (Mike), Nicole Vicius (Val), Harley Adams (Steve), John Diehl (Steves Vater), Robin Taylor (Phil), Melissa Leo (Mikes Mutter) und Julianne Michelle (Terry) sind bemerkenswert. Authentisch kommen psychische Befindlichkeiten zum Ausdruck, die sowohl mit lauten als auch mit leisen Tönen verbunden sind.

Mitunter stellen die Film ästhetischen Wirkungen auch eine Zumutung dar, welcher potenziell ein polarisierender Zündstoff eigen ist. Hieraus entsprangen auch kontroverse Diskussionen zwischen den FBW-Jurymitgliedern. Kritisch wurde die Inszenierungsweise angesprochen, deren Rezeptur diskussionswürdige Zutaten enthält. Andererseits wurde gerade der schonungslose Blick auf die abgründige Realität gewürdigt. Hinter der Fassade hübscher Einfamilien-Häuser kommen extreme Verwerfungen zum Vorschein, die als Krisen-Syndrom einer weißen Mittelschicht gedeutet werden können und die Gefahr des Abrutschen in die Armut anzeigen.

Die Kamera ist nah am Geschehen und unternimmt aufschlussreiche Fahrten. Konsequent werden Ansichten präsentiert, deren veristisch eingefangene Hässlichkeit ihre Wirkung nicht verfehlt. Durch geschickte Schnitte und Montagen eröffnen sich interessante Assoziationsräume. Beispielsweise folgt auf den von Steve erschossenen Hund das Gesicht seines Vaters. Mit dem „Schwarzen Hund“ kommt ein symbolisch ausdeutbares Zeichen ins Spiel. Zuweilen wird auch auf Wahrnehmungsgewohnheiten rekurriert, die durch die triviale Fernseh-Ästhetik geprägt sind.

Die Musik und auch insgesamt das Sound-Design unterstützen hervorragend die visuellen Motive und schaffen die passende Atmosphäre. Bestimmte Drehmomente, die in der Erzählstruktur verankert sind, erzeugen Lebendigkeit in den Handlungsverläufen.

Die verschiedenen stilistischen Mittel erfüllen in gelungenen Kombinationen ihre dramaturgische Funktion und rufen eine Semantik mit vielen Dimension hervor, so dass weiterführende Reflexionen über die aufgetürmten Probleme beim Publikum stimuliert werden. Tempo-Variationen sorgen für einen elastischen Spannungsbogen.

Ob alle Komponenten optimal ausbalanciert sind, war in der Jurydiskussion umstritten. An Stimmungslagen, die beim jungen Publikum Resignation und Nihilismus hinterlassen könnten, fehlt es nicht. Immerhin finden sich als Gegengewicht am Ende des Films einige Hoffnungsschimmer und Wendepunkte (Steve birgt seinen Vater aus der Suizid-Garage, Mikes Schwester öffnet die Augen und erwacht aus dem Koma.)