Tehran Derby
FBW-Pressetext
Gibt es in einer Stadt zwei Fußballmannschaften, dann ist die Stadt automatisch gespalten. Und sie brodelt – vor allem dann, wenn beide Teams in einem Derby aufeinandertreffen. So auch in Teheran im Iran, wo man entweder Fan von Esteghlal (die Blauen) oder Persepolis (die Roten) ist. Der Filmemacher Simon Ostermann begleitet gemeinsam mit Kameramann Johannes Greisle für seinen Kurzdokumentarfilm TEHRAN DERBY zwei „Leader“, also die Anführer der Anhänger der jeweiligen Mannschaften, auf dem Weg zum wichtigsten Spiel der Saison. Dabei gelingt es Ostermann, die unglaubliche Komplexität und Faszination aufzuzeigen, die der Volkssport Fußball ausübt. Durch die sehr nahe und dynamische Kamera, mit denen Ostermann seine beiden sympathischen Protagonisten auch zuhause und in der Fankurve begleitet, wird man als Zuschauer unmittelbarer Zeuge einer mitreißenden Stimmung. Ganz besonders dann, wenn der Film die Stadion-Atmosphäre sehr dicht einfängt, ohne das Spiel selbst zeigen zu müssen. Die Leader selbst sprechen auch über heikle Themen wie den Umgang mit Frauen, die im Iran vom Fußballschauen ausgeschlossen sind, oder auch die Kontrolle des Fußballs durch die Regierung, die den Leadern auch vor dem Spiel genau vorgibt, wie die Fangesänge im Stadion abzulaufen haben. Ostermann, der seinen Film im Rahmen eines Austauschs zwischen der Filmuniversität Babelsberg und der Soore Universität Teheran gedreht hat, thematisiert diese Aspekte nie direkt. Und doch sind sie stets präsent und regen daher zum kritischen Nachdenken an. TEHRAN DERBY ist ein kluger und reflektierter Kurzdokumentarfilm, der hinter starken Bildern eine noch viel stärkere Geschichte erzählt.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Simon Ostermann |
Drehbuch: | Simon Ostermann |
Kamera: | Johannes Greisle |
Schnitt: | Martin Wunschick |
Länge: | 20 Minuten |
Produktion: | Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF |
Förderer: | Filmuniversität Babelsberg |
Jury-Begründung
Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.Man muss kein Fußballfan sein, um zu bestaunen, was TEHRAN DERBY zeigt. Im Rahmen eines Austauschprogramms hat sich Simon Ostermann mit Crew und Kamera in den Iran begeben. Nicht, wie man bei einem Dokumentarfilmer vermuten könnte, um politisch-religiöse Konflikte zu beobachten, sondern um zwei Fußballmannschaften zu begleiten.
Mit außerordentlicher Leichtigkeit verfolgt Ostermann die Anhänger der Teheraner Teams Persepolis und Esteghlal. Der Iran ist gespalten, so erfährt der Zuschauer, welche Bedeutung die Farben rot und blau, die Teamfarben der rivalisierenden Mannschaften, im Land haben. Zwar gibt es auch in Europa eine ausgeprägte Fankultur, aber so wie im Iran dürfte sie sich hierzulande nicht abspielen. TEHRAN DERBY untersucht die verantwortungsvolle Aufgabe der Fanleader. Sie organisieren Fanblocks, studieren mit ihnen Gesänge und Slogans ein und choreografieren die Auftritte für die Spiele.
In der abschließenden Diskussion würdigte die Jury unisono die Feinfühligkeit, mit der Ostermanns Dokumentation ein sogleich vertrautes wie auch fremdes Stück Fußballgeschehen abbildet. Beharrlich folgt er den Leadern der rivalisierenden Hauptstadtclubs. Er lauscht deren Gedanken zu Fußball, Religion und Politik, ohne sie jemals bloßzustellen. Und sogar wenn keine einzige Frau im Film zu sehen ist, so kann er dennoch erschließen, dass das – filmisch immer wieder thematisierte – Fußballverbot für Frauen auch bei den Fanleadern nicht auf volle Zustimmung stößt.
Immer wieder erinnert die Dokumentation auch an das System, in das diese Fankultur eingebunden ist. Die Leader von Persepolis und Esteghlal sind nicht nur Vorbilder für die Fans. Diese „Ersten Fans“ sind auch dem System, dem Staat bzw. anderen, unbenannten Vorgesetzten persönlich verantwortlich, für die Art ihrer Unterstützung und für das Verhalten ihrer Blocks. Das alles bildet der Film genauso unprätentiös wie eindrucksvoll ab. Eine Leistung, die die Jury an Ostermanns Dokumentarfilm schätzt. Ganz allmählich erfahren die Zuschauer von der Ambivalenz, die sich hinter wohleinstudierten Choreografien und Verhaltenskodizes verbirgt. Einerseits treiben die Fanleader ihre Mannschaften zielgerichtet an, andererseits sorgen sie für Deeskalation, sodass sie ganz im Sinne des Staates eine Einheit bilden. Damit zeigt TEHRAN DERBY auch die gesellschaftliche Relevanz der Fanleader.
Bewundernswert fand die Jury aber auch die Dynamik, mit der Ostermann die Zuschauer durch schwieriges Gelände führt, ohne Gefahr zu laufen, oberflächlich zu sein. Auch wenn die Spiele nie von der Kamera erfasst werden, ist immer die mitreißende Stimmung unter den Fans gegenwärtig. Mit Bild, Ton und Schnitt hat Ostermann eine Fußballdokumentation der Extraklasse erarbeitet, in der immer wieder auch die ganz persönlichen Emotionen einzelner Fans durchschimmern.
Selten war sich die Jury so einig wie bei diesem Dokumentarfilm. TEHRAN DERBY hat die Jury vollends überzeugt. Sie verleiht Simon Ostermanns Film über einen kleinen Einblick in eine genauso fremde wie vertraute Fußballwelt gerne das Prädikat besonders wertvoll.