Filmplakat: Tako Tsubo

FBW-Pressetext

Wenn das Herz vor Kummer und Trauer schmerzt, will man es nicht mehr haben. Man möchte nicht mehr darunter leiden, dass es einem mit jedem Schlag daran erinnert, wie weh das Leben tun kann. Also nutzt man die Gelegenheit, es loszuwerden. Und man nimmt gerne das Angebot an, sich von dem Herzen zu verabschieden. Um es dann für immer gehen zu lassen. In ihrem Kurzanimationsfilm TAKO TSUBO nehmen sich die Filmemacherinnen Eva Pedroza und Fanny Sorgo dem titelgebenden medizinischen Phänomen des „Broken Heart-Syndroms“ an, das aufgrund von hohem psychischen und emotionalen Stress zu einem Herzinfarkt führen kann. In reduzierten Aquarell-Zeichnungen und abstrakten Bildideen – wie etwa ein Wartezimmer voller Menschen, die an Stellen, wo sich normalerweise Organe befinden, Löcher aufweisen – erschaffen Pedroza und Sorgo eine filmische Welt, in der sie für das Gefühl des Verlorenseins und der Traurigkeit Bilder erschaffen, die zwar individuell sind, aber von den Zuschauenden ganz intuitiv auf die eigene Lebenswirklichkeit übertragen werden können. Zu den unkonventionellen Bilderwelten gesellen sich pointierte und trockenhumorige Dialoge und eine Handlung, die mit immer neuen Wendungen bis zum offenen Ende hin überrascht. Ein kontemplativer Kurzfilmgenuss zum Nachdenken und Nachspüren.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Eva Pedroza; Fanny Sorgo
Darsteller:Len Jakobsen; Anne Kulbatzki; Benjamin Martin
Drehbuch:Fanny Sorgo
Kamera:(Animation) Eva Pedroza
Musik:Mary Ocher
Länge:6 Minuten
Verleih:sixpackfilm
Produktion: Eva Pedroza, Fanny Sorgo;
Förderer:Neustart Kultur

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Animationsfilm TAKO TSUBO von Eva Pedroza und Fanny Sorgo ist eine surrealistische Reflexion über den Umgang mit Gefühlen in einer Leistungsgesellschaft. Der sechsminütige Kurzfilm besticht durch eine originelle Kombination aus minimalistischem Stil, lakonischem Humor und experimenteller Animationstechnik. Er greift das Motiv des Herzens – sowohl als Zentrum des Lebens als auch als Symbol des Liebens – auf und interpretiert es in einer eigenwillig-kauzigen Welt neu.
Im Mittelpunkt steht Herr Ham, der sich dazu entschließt, sein Herz operativ entfernen zu lassen, um von der Last seiner Gefühle befreit zu werden. In einer Welt, in der die modernen Möglichkeiten der Medizin den Menschen an die Lebensrealität anzupassen scheinen, wird diese Entscheidung als lapidarer Eingriff dargestellt. Diese surreale Ausgangssituation entfaltet sich in einem Wald mit rauschenden Blätterkronen, wo die Bewegungen der Figuren oft nur durch kleine Mikrogesten sichtbar werden – eine faszinierende visuelle Entsprechung zum inneren Stillstand der Charaktere.
Die Animationstechnik, in der jede Bewegung ihre Spuren hinterlässt, verleiht dem Film eine einzigartige ästhetische Textur. Die Bäume, der Wald und der sich bildende Blut-See werden dabei zu motivischen Erweiterungen des Herzens, das als Hindernis und zugleich als Zentrum des Lebens thematisiert wird. Besonders eindrucksvoll ist die Szene, in der das Herz in Hams Hand in einer Schimpf-Tirade ausrastet, voller rätselhafter Reime und bitterer Emotionen.
Der trockene Humor des Films, der in pointierten Dialogen auf den Punkt gebracht wird, ist Motor der lakonischen Andersartigkeit der Erzählung. Besonders hervorzuheben ist die letzte Szene, in der Herr Ham einer Frau begegnet, die ihre Lunge entfernt hat und nun stressfrei und ohne schlechtes Gewissen im Blut-See rauchen kann. Der gemeinsame Zigarettengenuss wird zu einer grotesken, aber emotionalen Geste des Zusammenkommens.
Die musikalische Gestaltung des Films gipfelt in einem emotionalen Finale: ein Gesang, der als explosive Entladung der zuvor unterdrückten Gefühle verstanden werden kann. TAKO TSUBO ist visuell überhöht und experimentell, gleichzeitig aber narrativ klar und emotional zugänglich. Die originelle Variante der "talking heads" und die präzise Gesellschaftskritik machen diesen Kurzfilm zu einem beeindruckenden Beispiel für zeitgenössische Animationskunst.
Die Jury vergibt einstimmig das Prädikat "besonders wertvoll".