Starbuck - Holger Meins

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Wie aus einem fernen, fremden und teilweise untergegangenen Land mutet teilweise an, was Gerd Conradt da an Filmdokumenten ans Tageslicht holt. „Starbuck“, so wie der Name des Steuermanns in „Moby Dick“, lautete der Deckname des Terroristen Holger Meins, der 1974 in Untersuchungshaft im Hungerstreik starb. Gerd Conradt, sein Studienkollege an der dffb, entwirft nun in einem intimen und subjektiven Dokumentarfilm ein Porträt des „Menschen“ Holger Meins. Zeitzeugen mit Beziehung zu dem Toten geben Auskunft, vielerlei Filmausschnitte und Dokumente verdichten die Rekonstruktion des damaligen Protestpotentials und der Protestkultur. Der fragmentarische Charakter bleibt stets sichtbar, der sorgfältig gestaltete Film kann (und will) nur ein Ausschnitt sein.
Die Diskussion im Bewertungsausschuß, in seiner zufälligen Zusammensetzung übrigens ein deutsch-deutsches Gremium, war intensiv und breit gefächert. Insgesamt ergaben sich viele sachliche Nachfragen zur Zeitgeschichte, die der Film vielleicht als selbstverständlich voraussetzt. Die Frage der Legendenbildung und der Verherrlichung von Gewalt und Protest wurde im Bewertungsausschuß kontrovers diskutiert. Das einstimmige Abstimmungsergebnis entspricht dem stringenten Erkenntnisinteresse des Films, der die Entwicklungsgeschichte eines schließlich radikalisierten Menschen näher bringt. So viele Jahre danach (oder sind es immer noch zu wenige?) muß ein filmischer Blick erlaubt sein unter jene Betonplatte, die der Vater von Holger Meins - damals 1974 - über dem Grab seines Sohnes plazieren mußte.