St. Mickeyland

Filmplakat: St. Mickeyland

FBW-Pressetext

Was machen eigentlich die Heldinnen und Helden der Kindheit, wenn sie im Ruhestand sind? Wo hängen sie alle ab? Nun, sie versammeln sich in St. Mickeyland, einem idyllischen Fleckchen Land. Dort kann Schneewittchen endlich mal chillen und mit ihrem Standup-Paddel den See erkunden. Dort kann Minnie Maus mit Daisy Duck eine Landpartie starten und Papa Schlumpf ein bisschen Schabernack mit den Wasseranschlüssen im Badezimmer treiben. Doch am Ende ist das ja alles eher sinnlos, wie man an Winnie Pooh sieht. Der kleine Bär scheint ohne Aufgabe eine Existenzkrise zu haben und trottet grummelnd hin und her. Und war das da für eine Nadel, die sich Schneewittchen in den Arm gesteckt hat? In seinem neuen experimentellen Animationsfilm lässt Ulu Braun verschiedene popkulturelle Ikonen – sowohl real als auch gezeichnet und imaginiert – in einer Art ‚Reservat‘ aufeinandertreffen. Tableauähnlich reihen sich die Figuren aneinander, werden von Braun in einem völlig neuen Kontext verortet und so mit dem Verschwinden ihrer ‚Bestimmung‘ zur Unterhaltung der Massen konfrontiert. Wie auch in seinen anderen Filmen spielt Braun mit dem Mittel der Verfremdung, um so auf Klischees und Stereotypen aufmerksam zu machen. Dazu wirkt ST. MICKEYLAND wie ein Wimmelbild, in dem es in jedem Bereich etwas zu entdecken gibt und in dem alle Symbole, Farben und Motive doppelt kodiert zu sein scheinen. Dass der Film in seinem Kern auch viel Kritik an dem Kapitalismus einer stets abgelenkten Konsumgesellschaft in sich trägt, ist ein weiterer Aspekt, der die kluge und reflektierte Vorgehensweise des Filmemachers unter Beweis stellt. ST. MICKEYLAND ist eine Herausforderung für alle Zuschauenden, die sich über alle Maßen lohnt.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Ulu Braun
Drehbuch:Ulu Braun
Kamera:(Animation) Ulu Braun; Jelena Milunovic; Edoardo Pasquini
Schnitt:Ulu Braun
Musik:Vali Kram
Webseite:ulubraun.com;
Länge:12 Minuten
Produktion: Studio Ulu Braun Ulu Braun
FSK:12
Förderer:FFA

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Unsere Bilderwelten sind heillos durcheinandergeraten. Die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit existieren nicht mehr und einst viel geliebte Comicfiguren treffen auf Medien-Ikonen unserer Tage. Da setzt sich Schneewittchen einen Schuss mit einer Drogenspritze, Spongebob, Daisy Duck und Obelix sind in einer apokalyptischen Trümmerlandschaft gestrandet und der Kopf von Papst Benedikt predigt auf dem Körper von einem Seehund aus einem Zeichentrickfilm. In fünf animierten Panoramen arrangiert Ulu Braun diese Figuren, die Teil des kollektiven Gedächtnis sind, aber hier radikal aus ihren ursprünglichen Kontexten gerissen werden. Der Film schillert in seiner Mehrdeutigkeit, denn alle Motive, Farben und Symbole sind mindestens doppelt kodiert. Was kann es bedeuten, wenn ein Rehkitz auf einer Fußmatte mit der Aufschrift „Free Assange“ erschossen wird? Durch solche originellen Verknüpfungen zwingt der Film geradezu dazu, die vertrauten medialen Figuren in einem anderen Licht zu sehen und die dazugehörigen Klischees zu hinterfragen. Aber man kann den Film auch als ein animiertes Wimmelbild genießen, das die Schaulust befriedigt, denn Braun hat ihn sowohl auf der Bild- wie auch auf der Tonebene so mit Figuren, Motiven, Bezügen und Symbolen vollgestopft, dass es ständig und überall etwas zu entdecken gibt. ST. MICKEYLAND ist ein Experimentalfilm mit hohem Unterhaltungswert und einem ganz eigenen subversiven Humor.