Snapshot Mon Amour

Filmplakat: Snapshot Mon Amour

FBW-Pressetext

Die Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 teilte die Welt auf in ein „Davor“ und ein „Danach“. In seinem Kurzdokumentarfilm SNAPSHOT MON AMOUR entscheidet sich Filmemacher Christian Bau für dieselbe Vorgehensweise. Er erzählt zunächst von Ehepaaren und Verliebten, die zum sogenannten „Ehepaarfelsen“ reisen, einer Felsformation vor der Ostküste Japans, die mit Seilen verbunden ist und symbolisch für die ewige Liebe steht. Die Bilder vom Felsen und den glücklichen Paaren, die ihr Glück per Schnappschuss festhalten wollen, setzt Regisseur und Autor Bau im zweiten Teil des Films in krassen Gegensatz zu einer Wortschöpfung, die nach Fukoshima entstand: „Atom-Scheidung“. Denn offenbar gab es nach der Katastrophe mehr Scheidungen in Japan als jemals vorher. Kunstvoll gerahmt wird die Geschichte von Imako Umesaka, einer Kalligraphin, die beim Zeichnen der Schriftzeichen gezeigt wird. Ihre Kunst hat etwas Meditatives, verleitet den Zuschauern zu eigenen Gedanken, Reflektionen, Empfindungen. Und so gelingt Christian Bau mit seinem sechsminütigen Kurzfilm nicht nur eine filmische Auseinandersetzung mit einem äußerst komplexen Thema, sondern auch eine philosophische Betrachtung über die Vergänglichkeit und Unvorhersehbarkeit des Lebens und der Liebe. Ein kluger Film.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Christian Bau
Drehbuch:Christian Bau
Kamera:Christian Bau; Jonny Müller-Goldenstedt
Schnitt:Maria Hemmleb
Musik:Ulrike Haage
Länge:6 Minuten
Verleih:die Thede e.V.
Produktion: thede Filmproduktion GbR
Förderer:FFHSH

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Was haben Kalligraphie, zwei Felsen im Meer und Fukushima gemein? Christian Baus Kurzfilm SNAPSHOT MON AMOUR ist einer Wortschöpfung auf der Spur, die erst nach dem Unglück von Fukushima entstanden ist.
Untermaltmit monotonem Saitenanschlag eines Klaviers begleitet der Film eine japanische Kalligrafin beim Malen. Ein Verweis auf die Tradition, friedlich wie eine Meditation. Diese nüchtern dokumentierte Sequenz wechselt mit Bildern vom Ehepaarfelsen, einer touristischen Attraktion, deren Besuch in Japan als ein Garant für eine dauerhafte Ehe gilt. Szenen wie aus einem Urlaubsfilm, farbig und eher willkürlich geschnitten, mit einem Kommentar übersprochen.
Christian Baus Kurzfilm zeigt Vergangenheit und Moderne, konfrontiert das Dauerhafte mit dem Schnelllebigen und vermittelt ein glaubhaftes Bild vom Leben im gegenwärtigen Japan.
Ähnlich wie so manche Kriegsbilder gehören die Bilder der Fukushima-Katastrophe mittlerweile dem kollektiven Bewusstsein an. Überall auf der Welt konnten wir sie sehen, überall haben die Medien sie gezeigt. Ob solche Bilder aber wahrnehmen lassen, was wirklich geschehen ist, das ist die Frage mit der uns SNAPSHOT MON AMOUR entlässt.
Christian Bau hat einen filmischen Haiku geschaffen, einen ästhetischen, offenen Text, der die Jury beeindruckt hat. Schnitt, Bild und Ton sind klug eingesetzt. Stilsicher verbindet der Film nur wenige Szenen und überlässt dem Bewusstsein der Zuschauer die Aufgabe, sich einen Zusammenhang zu erschließen.
Ein Begriff, der nach der Katastrophe von Fukushima erst entstanden ist, ist der der „Atom –Scheidung“. Tatsächlich – so verrät der Film – ist die Scheidungsrate in Japan nach dem Atomunfall gestiegen. Der Film zeigt, dass die Katastrophe tiefere Spuren hinterlassen hat, als Fernsehbilder Glauben machen. Japan reagiert auf ganz eigene Weise. Wie das geschieht, welche tief verwurzelten, traditionellen Mechanismen dort zum Tragen kommen, das verrät der Film jedoch nicht. SNAPSHOT MON AMOUR ist ein kluger Kurzfilm, der mit der stillen Wucht japanischer Haikus auffordert, Fragen zu stellen und Antworten zu finden.
Ein Film, der Tradition und Moderne stimmig verbindet, der sich so auf Ästhetik versteht, sie nicht als Selbstzweck verwendet, sondern als Mittel zum Zweck, der hat das Prädikat „besonders wertvoll“ verdient.