Shortbus

Kinostart: 19.10.06
2006
Filmplakat: Shortbus

FBW-Pressetext

Wild und radikal, ein ganz und gar nicht prüder Film aus New York. Direkt und natürlich leben die Charaktere ihre Lebensfreude und ihre Sexualität aus. Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist auch eine Suche nach Nähe und scharfem Sex. Die Darsteller geben dabei oft wahrhaft ihr Letztes, spielen mit Haut und Haar, riskieren viel. Gerade auch diese Nacktheit der Gefühle macht den Film künstlerisch beeindruckend. Kamera, Schnitt und Musik überzeugen. Die FBW-Jury votierte einstimmig für das höchste Prädikat.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Arthouse
Gattung:Drama; Romanze; Erotik
Regie:John Cameron Mitchell
Darsteller:Sook-Yin Lee; Paul Dawson; Lindsay Beamish; PJ Deboy
Drehbuch:John Cameron Mitchell
Länge:101 Minuten
Kinostart:19.10.2006
Verleih:Senator
Produktion: Process Productions, New York, Process Productions
FSK:18

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wild und radikal, ein ganz und gar nicht prüder Film aus New York. Direkt und natürlich leben die Charaktere ihre Lebensfreude und ihre Sexualität aus. Die Suche nach dem Sinn des Lebens ist auch eine Suche nach Nähe und scharfem Sex. Die Darsteller geben dabei oft wahrhaft ihr Letztes, spielen mit Haut und Haar, riskieren viel. Gerade auch diese Nacktheit der Gefühle macht den Film künstlerisch beeindruckend. Kamera, Schnitt und Musik überzeugen. Die FBW-Jury votierte einstimmig für das höchste Prädikat.

„Shortbus“ ist ein radikales Werk. Den Zwischenstand der – wie bei Robert Altman episodisch verzweigten - Handlung fasst einer der Protagonisten im ersten Drittel des Films ironisch in einem Satz zusammenfasst: „Es ist wie in den Sechzigern - nur ohne Hoffnung.“ Anders aber als dieses Statement vermuten lässt, erzählt „Shortbus“ seine Geschichte geradezu leichtfüßig und sogar mit komödiantischen Unterton, bei dem kein Mitleid aufkommt, sondern eher Lust an der Lebensfreude der Beteiligten.

Im Schatten von 9/11, im Schatten des Anschlags auf das World Trade Center im Jahr 2001, leben hier Sex- und Zärtlichkeitsorgien der 60er Jahre auf, die bei den Sexszenen an Deutlichkeit und Unverklemmtheit nichts zu wünschen übrig lassen. Kritiker mögen dem Film vorwerfen, in der Einführung kurzzeitig und kurzweilig die Grenze zum pornographischen Film zu touchieren. Es handelt sich aber um ein notwendiges künstlerisches und ganz und gar nicht vordergründiges oder sensationalistisches Stilmittel, um trotz oder gerade wegen sympathischer Figuren deren Einsamkeit, Dünnhäutigkeit und/oder Abgestumpftheit, ihre Suche nach neuen, drastischeren Kicks und letztlich nach dem Glück sichtbar zu machen.
Auch das Ausleben der eigenen Sexualität kann nicht über eine innere Einsamkeit hinwegtäuschen, die Reduktion auf den Ernstfall der Lust trägt zur Klarheit und Selbstbesinnung bei. „Es ist schon hart, wenn man nicht fühlt“, sagt die Domina Severin. Bei den einen führt der Weg in den Swinger-Club „Shortbus“, bei dem anderen führt die Summe der Einsamkeitsmomente zu Freitodüberlegungen. Der dann inszenierte Selbstmordversuch freilich scheitert grandios.

„Shortbus“ ist ein radikal wilder Großstadtfilm, ein Film über die (moderne) Unfähigkeit, zu fühlen. Sexualität lässt sich da nicht ausklammern, aber Regisseur John Cameron Mitchell und seinen Protagonisten geht es um weit mehr als nur um den nächsten Orgasmus. Viele schöne Szenen des Films thematisieren Sehnsüchte und Einsamkeit, Narzissmus und Egomanie, das Buhlen um Nähe, die Suche nach „wahren“ Gefühlen und nach sich selbst. Die Darstellerinnen und Darsteller agieren wagemutig und mit großem persönlichen Einsatz. Der Film strahlt eine große Natürlichkeit und Aufrichtigkeit aus.

Immer wieder wird auch die Stadt New York zum Hauptdarsteller. In märchenhaft schönen, eleganten Flugaufnahmen saust die Kamera immer wieder über ein riesiges, an naive Kunst erinnerndes, wunderschönes Modell von New York, saugt sich an ein erleuchtetes Fenster und eröffnet so ein neues Filmkapitel, sei es Tag oder Nacht. Dieser Kunstgriff gibt der Geschichte einen allegorischen, fast märchenhaften Verlauf, trägt bei zum Zauber des Films, der trotz der scheinbar trostlosen Lage mancher seiner Protagonisten eine kraftvolle Hoffnung auf die Macht der Gefühle ausstrahlt und die Zuschauer beschwingt aus dem Kino entlässt.