Sentimental Stories
FBW-Pressetext
Das Mädchen wartet vor einem Hochhaus auf den Freund. Ein Kollege ist fertig mit seiner Schicht und erzählt in der Umkleidekabine einem anderen von seiner unglücklichen Ehe. Die Besitzerin der Kantine schält zusammen mit ihrer Nichte unter einem Sonnenschirm draußen Kartoffeln. Was all diese Menschen verbindet, ist der Hafen. Der Hafen ist der Ort, der ihnen Arbeit bietet. Ein Ort, an dem man ankommen soll. Aber auch ein Ort, den manche Menschen nutzen, um aufzubrechen. Die Regisseurin Xandra Popescu, die an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin studiert, bezeichnet ihren Kurzspielfilm als „Parallaxe von Herzschmerz und Sehnsucht, Enttäuschung und Hoffnung“. Und so, wie diese großen Gefühle ganz klar in jedem verrätselten Bildimpuls spürbar sind, so sehr bleibt auch alles im Unklaren. Die Beziehungen der Figuren werden nur angedeutet und verweigern sich einer klaren Definition. Die Orte rund um den Hafen bleiben Unorte, die von der Kamera von Jonathan Steil als beeindruckende Tableaus überzeugend gefilmt und kadriert werden. Die Leere und Tristesse des klug gewählten Settings vermitteln sich trotz der sonnigen Lichtstimmung und am Ende bleiben die Figuren einander ebenso fremd wie auch dem Zuschauenden. Ein faszinierendes essayistisches Kurzfilmerlebnis.Filminfos
Gattung: | Drama; Kurzfilm |
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Regie: | Xandra Popescu |
Darsteller: | Artemis Chalkidou; Estelle Widmaier; Jesus Fernandez de Castro; Grego Belau; Leo Da Silva; Ezra Luke; Marie Tragousti |
Drehbuch: | Xandra Popescu |
Kamera: | Jonathan Steil |
Schnitt: | Xandra Popescu; Lorna Höffler Steffen |
Musik: | Khidja Red Axes |
Webseite: | dffb.de; |
Länge: | 15 Minuten |
Verleih: | DFFB |
Produktion: | Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB) |
Förderer: | dffb |
Jury-Begründung
Eine junge Frau wartet auf ihren Freund. Zwei Kollegen sprechen über komplizierte Beziehungen.Eine Kantineninhaberin und ihre Nichte hängen beim Kartoffelschälen ihren Träumereien nach.
Der 15-minütige Kurzfilm SENTIMENTAL STORIES von Xandra Popescu erzählt in knappen Momentaufnahmen von mehr oder weniger lose mit dem Hafen verbundenen Menschen.
Angesiedelt hat die Regisseurin ihren Film in einem namenlosen Niemandsland, einer verlassenen Hafengegend, in der das Kommen und Gehen an der Tagesordnung ist. Aber was ist mit denjenigen, die hier festsitzen?
Popescu wählt für ihre Geschichte lange, ruhige, fast poetische Einstellungen. Die Kamera spielt mit Licht und Schatten, die einzelnen Bildausschnitte bestechen durch ihre Originalität und eine kompositorische Strenge. Man sieht Schotterpisten, Containerhallen, Umkleidekabinen für die Arbeiter, jeweils aus ungewöhnlichen Blickwinkeln.
Jedes der ambitionierten Bilder, so scheint es der Jury, ist bis ins Detail durchdacht. Bewusst hat die Regisseurin mitunter kleine Irritationen eingebaut, die den künstlerischen Anspruch unterstreichen.
Auf der Tonebene klingen Nebelhörner in die Stille und erzählen von Heimweh und Fernweh.
Die formale Reduziertheit von SENTIMENTAL STORIES entspricht der inneren Leere der Figuren. Das Grundgefühl dieses Film ist ein Gestrandetsein, ein Feststecken in einer Zwischenwelt. Kein Wunder, dass die Regisseurin ihre Hafenarbeiter selten beim Arbeiten zeigt. Sie laufen ziellos umher, träumen von einer besseren Zukunft, die vielleicht kommen wird, irgendwann.
In Gesprächsfetzen, die in fremder Sprache herüberwehen, erfährt der Zuschauer in groben Zügen von den Sehnsüchten der Figuren. Es entsteht eine flüchtige Nähe, die bis zum Ende in der Schwebe bleibt. Die Dialoge sind reduziert auf das Allernötigste, lange Erklärungen sind nicht Sache dieses Films.
Popescu hat ein Dokument der Tristesse eingefangen, urteilt die Jury – aber Hoffnung darf hin und wieder durchscheinen. Der melancholische Sound des Films ist auf eine Weise gelungen, die den Zuschauer von der ersten Einstellung an in seinen Bann schlägt.
Der Jury gefällt der Mut der Regisseurin zu Leerstellen und Andeutungen. Sie traue dem Zuschauer zu, die Freiräume mit seinen eigenen Interpretationen zu füllen. Ein laut Jury anspruchsvolles, aber kein überambitioniertes Werk.
SENTIMENTAL STORIES ist ein leiser Film über das Warten, der eindringliche, individuelle Bilder für seine Geschichte findet. Nach ausführlicher Diskussion entscheidet sich die Jury für die Vergabe des Prädikates BESONDERS WERTVOLL.