Sehnsucht nach Myanmar
FBW-Pressetext
Manchmal muss man die Heimat verlassen, um die Sehnsucht danach zu spüren. Diese Erfahrung hat auch die junge Filmemacherin Seng Mai aus Myanmar gemacht. Das Land in Südostasien stand bis 2011 unter Militärherrschaft und hat erst seitdem ein frei gewähltes Staatsoberhaupt. Seng Mai hat für ihr Filmstudium das Land verlassen und kehrt nun zurück, um ihre Familie zu besuchen. Ihre Großmutter, die in Yangon lebt. Ihre Mutter, die ihr Zuhause woanders gefunden hat. Und ihre beste Freundin aus Kindertagen, die sich ihr Leben im Haus der Familie aufbaute. Für Seng Mai ist der Besuch aber mehr als nur die Auffrischung von Kindheitserinnerungen. Es ist eine Suche nach ihren Wurzeln. Und ein Bekenntnis zu ihrer Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit. Seng Mai erzählt in SEHNSUCHT NACH MYANMAR ihre Geschichte, während sie diese mit ruhigen und fast schon meditativ montierten Bildern filmt. Die Gespräche mit Familie und Freunden wirken unangestrengt und authentisch. Der Film will keine Emotion erzwingen, und doch entsteht diese automatisch beim Eintauchen in die jeweiligen Sequenzen. Immer wieder gibt es Bildpassagen, die vom Regen „untermalt“ sind, sowohl visuell als auch akkustisch. Der Regen wird zum Symbol für das Loslassen einer Vergangenheit, die nicht immer schön war, für Trauer und die Hoffnung eines Neubeginns. Sowohl für die Familie als auch das Land Myanmar selbst. Denn eine Militärdiktatur, die die freie Entfaltung unterdrückt, zerstört auch viele Hoffnungen. Auch die Musik ist zurückhaltend eingesetzt. So entsteht ein ruhiger filmischer Fluss, bei dem man sich als Zuschauer mittreiben lassen kann, mehr über das Land erfährt und auch mehr über Seng Mai selbst, die im kommentierenden Text ihre Wünsche, Hoffnungen und Ängste formuliert. Am Ende steht die Sehnsucht, vielleicht einmal wieder mit allen vereint zu sein. Eine Sehnsucht, bei der man sich wünscht, sie möge sich erfüllen. Ein poetischer, persönlicher und sensibel aufbereiteter Dokumentarfilm, der den Zuschauer tief berührt.Filminfos
Gattung: | Kurzfilm |
---|---|
Regie: | Seng Mai Kinraw |
Drehbuch: | Seng Mai Kinraw |
Kamera: | Tilman Holzhauer |
Schnitt: | Dennis Lutz |
Musik: | Denise Barth |
Länge: | 60 Minuten |
Produktion: | avindependents Film & TV Produktionsgesellschaft mbH, SWR; Filmakademie Baden-Württemberg; |
Förderer: | MFG Baden-Württemberg |
Jury-Begründung
Seng Mai Kinraw drückt in wunderschönen Bildern, die von einem poetischen Text begleitet werden, ihre „Sehnsucht nach Myanmar“ aus. Sie war als Stipendiatin in Deutschland, nun begibt sie sich auf eine Reise an die Orte ihrer Kindheit. Sie trifft Familie und Freunde und steigt dabei ganz dicht in ihren eigenen Film ein. Szenen mit der geliebten Großmutter in Yangon und mit der Mutter in Myitkyina sind von großer Intensität und Wärme. Der enge Familienzusammenhalt, der Respekt und die Liebe zu den Älteren werden in jeder Einstellung deutlich. Seng Mai sehnt sich in die glückliche Situation ihrer Kindheit zurück als noch die ganze Familie zusammenlebte. Dies ist schon lange vorbei, die Suche nach Arbeit hat die Familie auseinandergerissen. Ihren Vater, der in den USA arbeitet, kann sie nicht besuchen, da sie kein Visum erhält.Die Filmemacherin findet eindringliche Bilder für die Technisierung und den rasanten Wandel des Landes, für die Unwirtlichkeit der Mega-Städte und die Entwurzelung der Menschen. Demgegenüber stehen Bilder voller Wärme und Poesie, wie der Regen, der ihre Tränen wegwäscht und Aufnahmen aus der archaisch anmutenden Welt ihrer Kindheit im entfernten Norden Myanmars. Die von Seng Mai Kinraw selbst gesprochenen Kommentare verstärken den Sog, den dieser Film mit seinem stimmigen Rhythmus und Sounddesign und der klug eingesetzten Musik entfaltet.
Die Jury war beeindruckt von dem großen Talent der jungen Filmemacherin und der handwerklich sehr reifen Leistung und vergibt das Prädikat „besonders wertvoll“.