Seepferdchen
FBW-Pressetext
Hanan Saeed Abdo floh mit ihrer Familie aus dem Nordirak nach Deutschland. Als die Familie 2015 in einem Schlauchboot das Mittelmeer überquerte, sank das Boot beinahe. Hanan, ihr kleiner Bruder Sidar und ihre Familie haben überlebt. Doch die Angst des jungen Mädchens, das heute ihrem Bruder und anderen kleinen Kindern Schwimmunterricht gibt, vor dem Wasser war lange Zeit groß. In dem Kurzdokumentarfilm SEEPFERDCHEN lässt Regisseurin Nele Dehnenkamp Hanan ihre Geschichte erzählen, während man als Zuschauer*in auf der Bildebene den Schwimmunterricht mitansieht. Mit einer beeindruckenden Ruhe berichtet Hanan von ihren Ängsten und ihren Erinnerungen. Die exzellent eingefangenen Bilder des Wassers, die Dehnenkamp dazu montiert und mit ruhiger Musik unterlegt, sind von einer fast meditativen Langsamkeit und Schönheit und verleihen dem Element etwas unendlich Freies und doch in der Erinnerung auch etwas beängstigend Erdrückendes. Doch der Haupthandlungsort des Schwimmbads, mit der heiteren und gelösten Stimmung der Kinder, macht die Entschlossenheit von Hanan spürbar, die sich von ihren traumatischen Erinnerungen nicht die Lust auf das Leben nehmen lassen will. Mit SEEPFERDCHEN ist Nele Dehnenkamp, die an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, ein Kurzdokumentarfilm gelungen, der meisterhaft und mit Feingespür die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, deren Mut und Stärke zutiefst berührt und inspiriert.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Nele Dehnenkamp |
Kamera: | Tobias Winkel; Sina Diehl |
Schnitt: | Jana Briesner |
Musik: | Paul Chriske |
Länge: | 16 Minuten |
Produktion: | Filmakademie Baden-Württemberg GmbH |
Förderer: | Filmakademie Baden-Württemberg |
Jury-Begründung
„Manchmal wünsche ich mir so sehr, dass das, was ich erlebt habe, ein Traum war - das war es leider nicht.“ Dies sind die ersten Worte, die in Nele Denhenkamps kurzem Dokumentarfilm fallen. Ausgesprochen werden sie von der Heranwachsenden Hanan, die der Film dabei begleitet, wie sie mit ihrem kleinen Bruder Sidar an einem Schwimmkurs teilnimmt. Und schnell wird deutlich, dass dieser Schwimmkurs, der zum Erwerb des Seepferdchen-Abzeichens führt, für die beiden Kinder etwas ganz besonders ist. Denn es erinnert sie an ihre eigene Geschichte - es ist die Geschichte ihrer Flucht übers Meer, bei dem sie beinahe ertrunken wären.Mit großer Genauigkeit erinnert sich Hanan, die - wie man erst im Verlauf des Films erfährt - es in der Zwischenzeit selbst zur Schwimmtrainerin gebracht hat, im Hallenbad sitzend an die traumatischen Erlebnisse auf dem Meer, an die Gefühle des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit, die Angst und kontrastiert dazu immer wieder die Bilder eines fröhlich-ausgelassenen Schwimmkurses. Und dieses selbstverständliche, aber klug gewählte Setting erweist sich als ungeheuer effektiv - auch wenn man davon ausgehen kann, dass die teilweise aus dem Off eingesprochenen Texte nicht samt und sonders am Drehort eingesprochen, sondern vorher aufgenommen wurden.
In klugem Wechsel zwischen Off-Erzählung und Interviewsituation, Porträtaufnahmen von Hanan und Impressionen aus dem Schwimmkurs, entfaltet der Film mit der Zeit einen regelrechten Sog, der das Publikum in Hanans Geschichte hineinzieht. Ihre Gedankenwelt, ihre Erinnerungen und Ängste macht der Film spürbar und zugleich nötigt er uns großen Respekt ab davor, wie es ihr im Laufe der Zeit gelungen ist, alles das hinter sich zu lassen, sich ihren Ängsten zu stellen und aktiv dagegen anzugehen. Nach Ansicht der Jury ist SEEPFERDCHEN ein sehr kluges Beispiel dafür, auf welche Weise Filme von der Flucht erzählen können: Respektvoll und behutsam auf die Vergangenheit blickend und zugleich mit Mut sich den eigenen Traumata stellend. Dafür gebührt dem Film und seiner mutigen Protagonistin unser allergrößter Respekt.