Scherbentanz

Kinostart: 31.10.02
2002
Filmplakat: Scherbentanz

FBW-Pressetext

Düstere Grundstimmung und expressive filmische Gestaltung kennzeichnen diese eindrucksvolle Familientragödie.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Chris Kraus
Darsteller:Margit Carstensen; Jürgen Vogel; Nadja Uhl
Drehbuch:Chris Kraus
Länge:102 Minuten
Kinostart:31.10.2002
Verleih:Movienet
Produktion: avcommunication AG, SWR; Arte; BR;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Die verrückte Mutter dringt mit der Axt ins Kinderzimmer, der Vater, offenbar durch Nazi-Vergangenheit belastet, zeugt rasch vor der Hochzeit mit einer anderen Frau noch ein uneheliches Kind und haßt seine verrückt gewordene legitime Gemahlin, was soll da aus den Kindern werden? Der ältere Bruder leidet unter chronischer Schlaflosigkeit, der jüngere ist ein Lebensversager und erkrankt an Leukämie. Leidend kehrt er heim ins Vaterhaus, in der Hoffnung, einen Organspender zu finden. Dabei begegnet er auch wieder dem „Ungeheuer“ der Mutter, die, verstoßen, zur stets alkoholisierten Streunerin herabgesunken ist. Eine patente, hilfsbereite Krankenschwester kümmert sich um sie. (Sie war einst sexsüchtig.)

Wohin man sieht, hinter der wohlanständigen Fassade, tun sich Abgründe auf, nicht kleine Macken, sondern schwere Verstörungen. Daß man diesem in grellen Farben gezeichneten Schreckbild der bürgerlichen Familie nicht mit Ironie begegnet, liegt an der konsequenten Inszenierung, die erst ganz zum Schluß so etwas wie das Prinzip Hoffnung erkennen läßt, vor allem aber an der hervorragenden Kamera von Judith Kaufmann, die die vielen Einstellungen jeweils in ein besonderes Licht zu tauchen versteht und visuell wenigstens die Reise in die Vergangenheit zur zum Teil faszinierenden Alptraumpassage verwandelt. Dabei ist ihr an einer gewissen Verfremdung gelegen: Sie hebt die Vordergründe oft unscharf hervor, um den Blick auf die Mittel- und Hintergründe des Geschehens auch als Blick von Zuschauern deutlich werden zu lassen.

Gegen die Monotonie der manchmal geradezu verschrobenen Morbidezza-Szenen kämpfen einige Darsteller erfolgreich an. Zwar besteht in dieser Geschichte eine grundsätzliche Fremdheit zwischen Männern und Frauen, doch einige können das Leiden an ihrer Existenz als Monade oder sogar als „Zombie“ besonders sichtbar machen: Vor allem Andrea Sawatzki und Margit Carstensen, die die jüngere und die ältere Mutter darstellen, gehen bis zum äußersten, um eine psychisch kranke, aus der Banalität des Lebens völlig herausgefallene Frau zu charakterisieren. Andere Figuren bleiben im sicher kritisch gemeinten Klischee stecken, wie der Vater, Herrenreiter, Verdränger und Liebhaber kitschiger Salonmusik. Jürgen Vogel spielt die Leitfigur, die eingangs allerdings durch ihre Verschrobenheit eher verschreckt. Die Erzählerstimme bedient sich oft äußerst prätentiöser, literarisch gestelzter Formulierungen, die zusätzlich die Herkunft der Filmerzählung aus einem vorliegenden Roman verraten.