Sankt Android
FBW-Pressetext
Norman sitzt jeden Tag am Krankenbett seiner Frau. Um sie zu trösten, für sie da zu sein und in der stillen Hoffnung, dass es ihr besser gehen könnte. Doch der kalt leuchtende Computerbildschirm vor dem Bett fällt mit monotoner Stimme ein anderes Urteil: Es sei nun Zeit für Normans Frau, zu gehen. Und prompt steht in der Tür ein androider Priester, um den letzten Weg zu begleiten. Ob Norman bitte die entsprechende Religion auswählen könne? Doch Norman will sich nicht auf diese Weise von seiner Frau verabschieden. Und so diskutiert er mit dem Androiden über Grundsätzliches. Wobei er das Wesentliche genau deshalb übersieht. Die „schöne neue Welt“ des Digitalen ist es, die der Regisseur Lukas von Berg, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, ins Zentrum seines neuen Animationskurzfilms stellt. Er tut dies auf augenzwinkernde Weise, das Tempo der aufgesagten Standardsprüche aus dem Schatzkästlein der Konfessionen ist hoch, die Phrasen reihen sich aneinander wie absurd leere Worthülsen. Die Animation kommt dabei ohne große Effekte aus, die Farbstimmung ist klar und gut gesetzt. Doch im Kern der Geschichte steht, bei all dem technischen Schnickschnack, immer der Mensch. Und dieser Mensch läuft Gefahr, durch die Auseinandersetzung mit der Technik das Menschliche zu übersehen. Eine Gefahr, die hochaktuell ist. Und die SANKT ANDROID mit Geschick und großem Gespür für Timing und Dramaturgie aufzeigt. Ein sehr gelungenes tragikomisches Werk.Filminfos
Gattung: | Tragikomödie; Satire; Kurzfilm |
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Regie: | Lukas von Berg |
Drehbuch: | Fabien Virayie |
Kamera: | Lukas von Berg |
Schnitt: | Farina Hasak |
Musik: | Leonard Küßner |
Länge: | 6 Minuten |
Verleih: | Filmakademie Baden-Württemberg |
Produktion: | Filmakademie Baden-Württemberg GmbH |
Förderer: | Filmakademie Baden-Württemberg |
Jury-Begründung
Jeden Tag sitzt Norman im Krankenhaus am Bett seiner Frau. Er erzählt, blättert in einem Fotoalbum, erinnert an gemeinsam Erlebtes – immer in der Hoffnung, dass sie vielleicht noch einmal ansprechbar sein könnte für Trost oder den Abschied. Aber dann teilt der Monitor über ihrem Bett, Teil eines hoch entwickelten Robotersystems, ihm in monotoner Stimme mit, dass seine Frau innerhalb der nächsten Stunde sterben werde und dass ihm ein Priester als Beistand geschickt werde. Norman ist verzweifelt und hofft auf Unterstützung. Umso schockierter ist er, als ein Androide an der Tür steht, sich als Priester vorstellt und ihn bittet, die entsprechende Religion auszuwählen. Auf dieses Weise wollte sich Norman eigentlich nicht von seiner Frau verabschieden. Aber was soll er tun? Der Androide hat viele Fragen. So diskutiert Norman mit ihm allerhand Details und Probleme – und verliert dabei das Wesentliche aus dem Blick.Der kurze Animationsfilm SANKT ANDROID von Lukas von Berg, als Diplomfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg entstanden, nimmt sich eines aktuellen Themas an und stellt wichtige Fragen: Breiten sich Technologie und Digitalisierung in unserer modernen Welt ungebremst weiter aus? Dominiert künstliche Intelligenz bald alle Bereiche unseres Lebens, oder stößt sie an bestimmte Tabus und Grenzen? Geht es nur um Optimierung, oder gibt es Situationen, die der Empathie und menschliche Emotionen vorbehalten bleiben müssen? Wurden diese Grenzen gar schon überschritten? Heutzutage wird künstliche Intelligenz verstärkt in der Pflege eingesetzt, und in Kliniken hat die Apparatemedizin immer größere Bedeutung. Angesichts der Corona-Pandemie, als Angehörigen lange Zeit der Zugang zu Krankenhäusern und Pflegheimen verwehrt wurde und viele Menschen einsam verstorben sind, hat sich die Situation zugespitzt. Diese Gedanken spielt Lukas Berg in seinem Film, der bitterböse Satire und Tragikomödie zugleich ist, konsequent bis zum Ende durch. Er zeigt drastisch, wie Sterbende und Angehörige durch die Technologie entmündigt und entwürdigt werden, stellt die Frage, ob würdiges Sterben unter diesen Bedingungen überhaupt noch möglich ist. Gleichzeitig übt er Kritik an den großen Weltregionen, die unter allen Umständen an ihren Riten und Ritualen festhalten und für die Menschen nur Standardfloskeln übrig haben.
Die Animation ist klassisch gestaltet und kommt ohne große Effekte aus. Nichts soll von der Geschichte ablenken. Die Farbgebung ist sehr intensiv, wirkt mitunter grell und plakativ, entspricht aber gerade dadurch der geschilderten Extremsituation. Obwohl es sich nicht um reale Personen, sondern gezeichnete Figuren handelt, erzeugt der Film vom ersten Moment an Sympathie und Mitgefühl für den alten Mann und seine sterbende Frau. So kann man den Schock und die Überforderung, die das Erscheinen und Verhalten des Androiden bei ihm auslösen, zutiefst nachempfinden. Und das Erschrecken darüber, dass im entscheidenden Moment die Auseinandersetzung mit dem Roboter und nicht der menschliche Beistand im Mittelpunkt steht, ist nachhaltig und wirft allerhand moralische Fragen auf – nicht zuletzt darüber, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt.