Sandmädchen

Kinostart: 18.10.18
2017
Filmplakat: Sandmädchen

FBW-Pressetext

Veronika Raila kann nicht sprechen, nicht laufen, sich selbst versorgen. Sie leidet unter schweren körperlichen Beeinträchtigungen und dem Asperger-Syndrom. Als sie geboren wurde, bescheinigten die Ärzte der Mutter für Veronika einen Intelligentsquotienten von Null. Heute studiert Veronika. Dank der Unterstützung ihrer Mutter kann sie sich anhand einer gelernten Zeichensprache der Welt mitteilen. Der Filmemacher Mark Michel erzählt in seinem Langfilmdebüt SANDMÄDCHEN zusammen mit Veronika ihre Geschichte. Immer wieder verwendet Veronika in ihren Texten die Metapher des Sands. Denn genauso brüchig, vergänglich, fließend und in alle Winde zerstreut fühlt sich die junge Frau oft. Michel findet, auch dies in Absprache mit Veronika, wunderschöne passende Bilder für ihr Innenleben, zeigt Dünen, das Meer, Bäume, den Wind. Dazu liefert die Sand-Künstlerin Anne Löper traumartige Impressionen. Ihre Arbeit mit dem Material als Untermalung für die klugen, reflektierenden und auch gewitzten Aussagen Veronikas lassen eine sehr dichte und doch angenehm leise und ruhige Erzählung entstehen, die sich stets von falscher Rührung distanziert und Veronika Raila als das darstellt, was sie ist: Eine kluge, starke und wissbegierige Frau, die ihr Leben als ein Geschenk sieht und annimmt. Und die ihrerseits der Welt mit ihrer Kraft ein großes Geschenk zurückgibt. SANDMÄDCHEN ist ein sensibel erzähltes und in der Schönheit seiner Bilder fast poetisch anmutendes Porträt einer bewundernswerten jungen Frau,

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Mark Michel
Drehbuch:Mark Michel; Veronika Raila
Kamera:Ines Thomsen
Schnitt:Andreas Baltschun; Mark Michel; Ed van Megen
Webseite:sandmädchen.de;
Weblinks:filmfriend.de;
Länge:84 Minuten
Kinostart:18.10.2018
Verleih:Filmokratie
Produktion: Worklights Media Production GmbH
FSK:0
Förderer:FFA; BKM; MDM; KJDF; Kulturstiftung Sachsen

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat wertvoll verliehen.

Selten wird so eindrucksvoll wie in diesem Dokumentarfilm die Diskrepanz zwischen der äußeren Erscheinung und dem Innenleben eines Menschen verdeutlicht. Veronika Raila lebt seit ihrer frühen Kindheit mit schwersten körperlichen Beeinträchtigungen. Sie kann nicht sprechen, sich kaum bewegen und muss ständig versorgt werden. Doch sie ist hochintelligent und hat das Talent sowie die Sensibilität einer Dichterin. Sie schreibt mit der Hilfe ihrer Mutter, die die winzigen Bewegungen, zu denen sie fähig ist, deuten und verstärken kann, Gedichte, Geschichten und literaturwissenschaftliche Texte. Auf einer Ebene zeigt der Film sachlich, wie sie in einer engen Symbiose mit ihrer Mutter lebt, die sie nicht nur versorgt, sondern ihr auch ermöglicht zu lesen und mit Hilfe einer Schreibmaschinentastatur ihre Texte aufzeichnet. Ihre Mutter erzählt, wie ihrer Tochter in der Kindheit ein Intelligenzquotient von Null attestiert wurde, wie sie langsam einen Weg fand, mit ihr zu kommunizieren und wie erstaunlich sich Veronika danach entwickelte. Heute studiert sie und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht. Der Film zeigt Mutter und Tochter bei einer Vorlesung in der Universität und zwischen den Buchreihen einer Bibliothek, die Veronika Raila als einen der wenigen Orte beschreibt, an dem sie sich ruhig und sicher fühlt – zwischen all den auf Papier verewigten Gedanken. Auf einer anderen Ebene haben der Filmemacher Mark Michel und Veronika Raila gemeinsam nach Bildern gesucht, die Einsichten in die Gefühlswelt der Protagonistin bieten. Dieser Prozess ist selber ein wichtiger Teil des Films, denn Mark Michel hat viele von Veronika Railas Anweisungen und Gestaltungswünschen als Textzeilen in den Film integriert. Er begleitet Veronika und ihre Mutter mit der Kamera auf einer Urlaubsreise nach Italien und zeigt, wie schwierig es ist, sie in ihrem Rollstuhl in die Dünen ans Meer zu bringen. Denn Sand und das Meer sind Schlüsselmetaphern für Veronika Raila. Die so von den beiden gemeinsam erarbeiteten Naturbilder, zu denen oft Texte von Veronika Raila durch eine professionelle Sprecherin rezitiert werden, sind jedoch, dies gibt die Jury kritisch zu bedenken, oft ein wenig nah am Klischee. Überzeugender sind dagegen die Sandmalereien von Anne Löper, in denen das fließend Flüchtige des Sandes, in dem Veronika Raila sich wiedererkennt, mit einer märchenhaften Poesie und Kraft ausgedrückt wird. SANDMÄDCHEN ist das einfühlsam inszenierte Porträt einer Frau, die in ihrem Körper gefangen zu sein scheint, sich aber eine erstaunliche geistige Freiheit erkämpft hat.