Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
So etwas gab es bisher noch nie in der Geschichte der Kinematografie, und es ist weit mehr als ein bloß technischer Rekord: Fast 100 Minuten dauert die einzigartige (dank moderner HD-Aufnahmetechnik), völlig ungeschnittene, traumhaft gleitende Steadycam-Kamerafahrt durch die 35 Säle der St. Petersburger Eremitage. Insgesamt 1300 Meter mißt die Strecke der präzise ausgetüftelten Kamerabewegung, die dabei durch rund 800 Komparsen und drei Jahrhunderte russischer und europäischer Geschichte „fließt“. Die Kamera folgt einem imaginären französischen Aristokraten, der auf die Zaren Peter und Nikolaus II, auf Katherina die Große oder Puschkin, auf Lord Chamberlain, eine persische Diplomatendelegation oder auf Museumsbesucher der Gegenwart trifft. Wie das Gebäude ist auch der Film opulent, funkeln Diademe und Kunstwerke, sieht man Gemälde und Paradeuniformen, (historische) Abendgarderoben, Orchester, Frisuren, Gardesoldaten, verschwenderische Pracht. Das gerät nie zum Selbstzweck, hat geschichtsphilosophische Tiefe und viel Poesie. Der Dialog zwischen dem Besucher und seinem unsichtbaren Führer vermeidet jede Didaktik, operiert auf vielen Ebenen. Zeit hebt sich auf in diesem einzigartigen filmischen Raum, in dieser großen Hymne auf die Eremitage, auf die europäische Kultur. Die filmischen Leistungen sind wahrhaft meisterlich, Regisseur Alexander Sokurov uneingeschränkt zu loben.