Romeo und Julia

Filmplakat: Romeo und Julia

Kurzbeschreibung

Franco Zeffirellis Verfilmung von Shakespeares „Romeo und Julia" gewinnt dem Kino und damit dem großen Publikum eines der poetischsten und dämonischsten Stücke der dramatischen Weltliteratur zurüc
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm
Regie:Franco Zeffirelli
Darsteller:Leonard Whiting; Olivia Hussey; John McEnery; Milo O'Shea; Pat Heywood; Robert Stephens
Drehbuch:Franco Zeffirelli; Masolino d'Amico; Franco Brusati
Buchvorlage:William Shakespeare
Kamera:Pasqualino de Santis
Schnitt:Reginald Mills
Musik:Nino Rota
Länge:138 Minuten
Verleih:Paramount
Produktion: Dino de Laurentiis Company

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Franco Zeffirellis Verfilmung von Shakespeares „Romeo und Julia" gewinnt dem Kino und damit dem großen Publikum eines der poetischsten und dämonischsten Stücke der dramatischen Weltliteratur zurück. Die Gefahr, dass das historische Kostüm und der historische Schauplatz den dramatischen Atem und die Poesie ersticken, dass die Tragödie zur Oper oder zur Schau wird, ist vollkommen vermieden worden. Zeffirelli hat die Ausbrüche wilder zerstörerischer Leidenschaften unter den jugendlichen Banden der Capulets und Montagu mit solcher Verve und Brutalität, zugleich aber künstlerisch so gebändigt, präzis und hinreißend zu inszenieren und ins filmische Bild zu bringen gewusst, dass die alte dunkle Geschichte von der Zerstörung der Liebe zweier sehr junger Menschen, die einanderverfallen sind, vor dem düsteren und grellen Hintergrund des rasenden Massenhasses um so mehr Glut und Zauber erhält. Eines trägt das andere, die immer lauernde Gefahr des Ausbruchs des Vernichtungsrausches verklärt, so paradox das klingen mag, die heimliche Liebe Romeos zu Julia zum überirdisch-irdischen Wunder. Der Italiener Zeffirelli hat die Augen für die große Pracht der Renaissance, für ihre an Massaccio und Uccello erinnernden Farben, für Treppen, Galerien, Säle, große spätgotische Plätze und die olivgrüne Campagna, für die großgeschnittenen Gesichter der Herren und die geschmeidigen Glieder der Jünglinge, für die schönen Hälse adliger Damen und die Pracht ihrer Kostüme. Aber das alles wäre Staffage, wenn Zeffirelli nicht — von weitem wird man an seines Landsmanns Antonioni britisches Abenteuer mit „Blow up" erinnert — sich den Aufbruch der englischen Jugend künstlerisch zunutze zu machen verstanden hätte. Nicht nur die zauberhaft gefühlsintensive, vom Kind zum Weib sich entwickelnde, aller Sexkonfektion völlig ferne Julia der Olivia Hussey und der schöne, von sinnlichem Feuer glühende Romeo des Leonard Whiting machen das darstellerische Ereignis dieses Films aus. Zeffirelli setzt uns Jugend vor, wo man auf den Bühnen Matronen und angealterte Veteranen zu sehen gewohnt war. Julias Mutter ist eine lebensgierige schöne, temperamentvolle Dame von Ende der Zwanzig, die dem Tybald mit verruchtem Begehren zugetan zu sein scheint. Tybald ist ein gefährlicher vitaler Stier der Aggression, des Hochmuts, des Dünkels. Mercutio von der Schärfe, die wir an der intellektuellen Jugend unserer Zeit kennen. Das Geschehen ist zum Bersten mit dem Sprengstoff der Aggression geladen. Die Menschennatur erscheint in den Szenen des plötzlichen Losbrechens von Haß und Vernichtungsdrang modern. Raserei und Tücke des Hasses sind über Epochen und Kostüme hinweg dieselben, die wir aus unsrer Epoche der Lebensgier und der aus alten Gehaltenheiten ausbrechenden Leidenschaften kennen. Zeffirelli hat aber den Shakespeare keineswegs nach Halbstarkenmuster modernisiert. Er hat die Nähe der Vitalität der Renaissancemenschen zu Tendenzen, die vor allem im heutigen England aufgebrochen sind, intuitiv erfaßt. Seine Akteure spielen aus dem Geist der Renaissance, einer freilich grausamen, wilden, leidenschaftlichen Renaissance. So ist Shakespeare überhaupt zu sehen, und so ist er in England immer verstanden worden. Die filmischen Mittel sind bravourös eingesetzt. Aus dem engen Balkon der Julia wird eine lange Rampe vor der Außenmauer des Schlosses, auf der das Mädchen seine Unrast und Unruhe auslaufen kann. Romeo ist ein sportlicher Bursche wie Mercutio und alle Kumpane. Sie gefallen sich in den Sprüngen einer Artistik, die auch bei Hamlet-Gastspielen des britischen Theaters auf dem Kontinent auffielen. Die Bettszene Romeo-Julia verdient den Namen Liebesszene. Die Innigkeit der jungen glühenden Leidenschaft ist nirgends durch Beigaben von Sex und überflüssiger Ent-blößung verdorben. Jugendliche Frische und Unbefangenheit machen in dieser Szene das Wort Liebesspiel wieder neu, nehmen ihm seinen peinlichen Beigeschmack von „Technik des Liebeslebens". Julias Schmerz, aber auch ihre Zuflucht zur List, hat den Reiz der Jugend, ist intelligent und im Ausbruch wahrhaftig. Am Schluss, der für jede Bühneninszenierung schwierig ist, hat Zeffirelli gerafft. Er läßt die Apothekenszene, den Tod des Grafen Paris und ebenso die überflüssige Rechtfertigung des Mönchs weg. Die Straffung kommt der Konzentration auf das bittere Ende der Tragödie des Hasses zugute. Die Führung der kämpfenden Scharen, einzelne Regieeinfälle wie Mercutios Bad im Brunnen, nicht minder das glanzvolle nächtliche Tanzfest im Palazzo der Capulets sind von angenehmer, da unaufdringlicher Brillanz. Der Verse sind erstaunlich gut ins Spiel gebracht, auch in der deutschen Synchronisation. Dies ist um so mehr positiv in Rechnung zu stellen, als der Vers allgemein dem Rhythmus des filmischen Bildes kaum zu bewältigende Schwierigkeiten entgegenstellt.