Ricky
FBW-Pressetext
Wunder geschehen immer wieder – doch hinter der kalten Betonfassade einer tristen Wohnsiedlung würde man sie nicht unbedingt vermuten. Dort hält die alleinerziehende Fließbandarbeiterin Katie ihre Tochter und sich mehr schlecht als recht über Wasser. Eines Tages lernt Katie den Spanier Paco kennen, der sich schon bald bei Mutter und Tochter einnistet. Doch die Geburt des gemeinsamen Sohnes Ricky stellt die Familie vor eine Zerreißprobe. Meisterregisseur François Ozon wagt mit seinem neuen Film ein außergewöhnliches Experiment: Trotz der fantastischen Geschichte inszeniert er mit akribischem Realismus und eröffnet so eine anregende Fülle an Deutungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt das packende Spiel der Darsteller macht den Film zu einem einzigartigen Erlebnis.Filminfos
Kategorie: | Arthouse |
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Gattung: | Drama; Spielfilm |
Regie: | François Ozon |
Darsteller: | Sergi López; Alexandra Lamy; Mélusine Mayance; Arthur Peyret |
Drehbuch: | François Ozon |
Weblinks: | ; ; |
Länge: | 89 Minuten |
Kinostart: | 14.05.2009 |
VÖ-Datum: | 08.10.2009 |
Verleih: | Concorde |
Produktion: | Eurowide Film Production, Eurowide Film Production, FOZ, Teodora Film, BUF, France 2 Cinéma |
FSK: | 6 |
Jury-Begründung
Von dem Regisseur François Ozon werden ungewöhnliche und überraschende Filme erwartet. Sein jüngster Film Ricky ist überdies in mehrfacher Hinsicht ein schwieriger Film. Der eigenwillige Einsatz stilistischer Mittel mag einige Irritationen hervorrufen. Zunächst wird in realistischer Erzählweise das Alltagsleben einer jungen, allein erziehenden Mutter gezeigt, die als Arbeiterin in einem Chemiebetrieb tätig ist. Genau beobachtet die Kamera u. a. Wohnverhältnisse, das Minenspiel zwischen Tochter und Mutter, die Arbeitsabläufe in der Fabrik. Dabei verdeutlicht sich die Ambivalenz der Moderne: einerseits bemerkt man z. B. die funktionale Architektur, die praktische Kücheneinrichtung usw. – andererseits lässt sich einiges aus den öden Wohnsiedlungen und Straßen, den Graffiti und der monotonen Fließbandarbeit herauslesen.Mit prägnanten, kurzen Einstellungen wird gezeigt, wie sich Katie in ihren spanischen Arbeitskollegen Paco verliebt und wie dessen Integration ins Familienleben verläuft. Subtil wird verdeutlicht, welche Konflikte in der (um eine Person erweiterten) Familie auftreten. Der Tochter Lisa entgeht beispielsweise das Privileg mit dem Motorroller zur Schule gefahren zu werden - im Bus sitzend, wird sie vom frisch verliebten Paar keines Blickes gewürdigt. Nach der Geburt von Ricky macht Paco ähnliche Erfahrungen. Die Mutterliebe richtet sich hauptsächlich auf das Baby und die gerade gewonnene Balance des Familienlebens wird erneut gestört.
An Rickys Rücken entdeckt die Mutter eines Tages einen roten Fleck, den sie auf Gewaltanwendung zurückzuführt. Nach Streit und Schuldvorwürfen verlässt Paco die Familie. Doch nun geht eine geheimnisvolle Verwandlung mit dem Kind vor. Diese Absonderlichkeit wird mit der selben real-ästhetischen Optik dokumentiert wie die bisherige Geschichte. Ein Wechsel in den surrealistischen Diskurs oder ins Fantastisch-Märchenhafte vollzieht sich nur untergründig. Das verstört einerseits, andererseits werden mannigfache Fragen, Vermutungen und Interpretationsvarianten provoziert. Ist das Kind aufgrund von chemischen Vergiftungen während der Schwangerschaft erkrankt? Werden in der Wandlung die psychischen Konflikte der Familienmitglieder symbolisiert? Gleicht das Baby einem Engel oder einem Putten (dem beliebten Motiv im Barock)? Verschiedene Deutungsmöglichkeiten werden ins Spiel gebracht und in der Schwebe gehalten.
Die folgenden Vorkommnisse geben immer weitere Rätsel auf. Der uralte Traum vom Fliegen mischt sich mit religiösen Symbolen und mit modernen Ängsten. Durch die Konstruktion der Erzählung ist strukturell ein offener Ausgang angelegt.
Die hervorragenden darstellerischen Leistungen von Alexandra Lamy (Katie), Sergi Lopez (Paco) und Mélusine Mayance (Lisa) sind dazu angetan, sich auf die komplizierte und irritierende Handlung des Films einzulassen. Die FBW-Jury würdigt ebenfalls den Mut des Regisseurs, die eingesetzten stilistischen Mittel konsequent in der Inszenierung durchzuhalten. Einige Einstellungen wirken allerdings nicht ganz überzeugend - beispielsweise die Flugversuche, die das Baby anfangs unternimmt. Sehr positiv fällt die Einschätzung im Hinblick auf die Ausstattung und auf die Leistung der Szenenbildner aus. Auch Kamera und Filmmusik sind zu würdigen und daher wurde Ricky das Prädikat wertvoll zuerkannt.